1. Ostern in Sicht
"Der Leib ist
klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all,
die Seel durchstrahlt
ihn licht und rein wie tausendfacher Sonnenschein"
"Bedeck, o Mensch,
dein Augenlicht! Vor dieser Sonn besteht es nicht."
Es ist ein Osterlied, das
mir angesichts des Sonntagsevangeliums
in den Sinn kam. Denn dort heißt es außerdem gleich zu Beginn in
der ersten Strophe:
"Kommt, kommt, ihr
Christen jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt!"1
Während im Evangelium die
Rede war vom Aufstieg Jesu auf den Berg und von seiner dortigen
Verklärung vor den drei mit hinaufgegangenen Jüngern, singt das
Lied vom auferstandenen Jesus.
Das Ziel schon im Blick. Fangschleuse Bahnhof, Brandenburg, 2019. |
Dort eine Geschichte vor
Ostern, hier eine Hymne auf den Todesüberwinder nach Ostern.
Der Grund für die
Ähnlichkeit der Worte und Beschreibungen ist denkbar einfach:
Mit diesem Text will der
Evangelist uns eine Art Vorausblick auf das geben, was erst noch
kommen soll. Die Jünger (und mit ihnen wir) bekommen eine
Vorstellung von der Auferstehung, eine Art Vision von dem, was
aussteht.
Und das mitten in der
Fastenzeit – während viele Christen noch versuchen, ihre
Fastenvorsätze durchzuhalten und damit beschäftigt sind, sich mittels Verzicht auf
das Osterfest vorzubereiten, wird unser Blick schon auf das Ziel hin
gelenkt.
Das ist auch schon der
wichtigste Sinn der Platzierung dieses Textes am Zweiten Sonntag in
der Fastenzeit – nicht Jesu Leiden oder unser Mitleid ist der Sinn
dieser Zeit. Der Sinn ist die Ausrichtung auf das neue Leben in der
Herrlichkeit Gottes. Um dieses höheren Gutes willen konzentrieren
wir uns auch eine Zeitlang auf das Leiden Jesu und üben selber das Verzichten.
Wenn Jesus mit
leuchtend weißem Gewand in strahlendem Licht mit Mose und Elija
spricht (vgl. v29ff), dann macht der Evangelist uns aufmerksam auf
den Plan Gottes mit Jesus, er zeigt die überwältigende Zukunft Jesu
an.
Mose und Elija, die
Symbolfiguren für Gesetz und Propheten in der Heiligen Schrift der
Juden, müssen dabei gewissermaßen bestätigen, dass es mit Jesus
und seinem Weg schon seine Richtigkeit hat – schließlich weisen,
so die Überzeugung der Autoren des Neuen Testaments, das jüdische
Gesetz und die Propheten Israels auf ihn hin.
Aber, auch das wird betont
(vgl. v31), das strahlende neue Leben kommt nicht einfach von Gott
her hoppladihopp über uns, sondern ist oft mit Leiden verbunden. In
jedem Fall geht es durch den Tod hindurch und damit durch den
schmerzhaften Abschied von dieser Welt.
Doch Leiden und Abschied
behalten nicht das letzte Wort. Ihre Macht wird überstrahlt von der
Hoffnung auf die Auferstehung und das neue Leben bei Gott, "licht
und rein wie tausendfacher Sonnenschein." Ostern mitten in
der Fastenzeit.
Dazu sind auch wir im
Alltag eingeladen – unseren Blick zu erheben und auf das Ziel zu
schauen, dem Ärger und der Enttäuschung nicht die Lufthoheit zu
überlassen, sondern uns auf Gottes gute Vision für uns zu
konzentrieren.
2. „Er wusste aber
nicht, was er sagte." (v33)
Aber dass mit diesem Text
Ostern schon in Sicht kommt, bedeutet nicht, dass sich die Jünger in
Vorfreude ausruhen können.
Vielmehr werden sie, die
Jünger, in diesem Text wieder als besonders dämlich dargestellt;
erst dürfen sie mitkommen, wenn der Meister beten geht, dann
schlafen sie ein, anschließend möchte Petrus wohl alles wieder gut
machen und schlägt aus lauter Verlegenheit vor, die Vision
festzuhalten und Hütten zu bauen.
Aber mit dem Wunsch, das
wunderbare Erlebnis festzuhalten, steht er gar nicht so allein da.
In einer religiösen
Biographie gibt es bekanntermaßen Hochs und Tiefs. Manche Menschen
haben eine sehr tiefe Gottesbeziehung und ein inniges Gebetsleben,
und kommen trotzdem irgendwann an den Punkt, an dem sie nichts mehr
davon spüren.
Bei Mutter Teresa scheint
es (nach ihren Tagebüchern) über viele Jahre so gewesen zu sein,
dass sie Gott nicht mehr spürte und immer nur ins Dunkel
hineinbetete, ohne Antwort, ohne Trost.
Was für ein Unterschied
zu dem spirituellen Highlight, von dem wir heute gehört haben.
Die Härte der Realität erfahren. Großmarkt am Westhafen, Berlin, 2019. |
Wer beides kennt, steht
sicher in der Versuchung, sich in Erwartung zukünftiger
Tiefphasen an das zu klammern, was er hat.
Aber das ist nicht
möglich. Das Leben geht im Tal weiter, dort, wo die Jünger mit
Jesus anschließend wieder hingehen. Sie können sich nicht auf dem
Berg in heiliger Andacht verstecken, nicht fliehen vor dem Alltag,
nicht in religiöser Ekstase verharren.
Kein Hoch währt ewig.
Auch die deutschen
katholischen Bischöfe und weite Teile der katholischen Kirche
weltweit merken das: Jetzt, da sexueller Missbrauch an
Minderjährigen, an Ordensfrauen (wieder) im Fokus steht; jetzt, da
(wie es die Erfurter Dogmatikprofessorin Julia Knop gerade bei der
Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ausdrückte)
ein „destruktiver Zusammenhang" zwischen "Macht
– Zölibat – Sexualmoral" nicht mehr zu leugnen ist und
die Kirche sich in einer "gravierenden Strukturkrise"2
befindet, jetzt kann man sich nicht mehr in ein Hoch von
Frömmigkeit, Kirchensteuerfreuden, Frieden und Erleuchtung
zurückbeamen. Nicht dass es in den letzten Jahren besonders viel
Hochstimmung gegeben hätte, aber ein deutscher Papst und ein
Reformpapst waren (zunächst) immerhin besser als die jetzige Situation!
Für die Kirche ist nicht
Zeit der religiösen Hochstimmung, es ist nicht Verklärungs-Zeit.
Vielmehr gilt es jetzt, im Tal vom Konflikt und Krise
weiterzuarbeiten.
Das steht für jeden
Christen immer wieder an. Nach einem schönen Gottesdienst, einem
intensiven Gebet, einer berührenden Lektüre der Schrift, einem zu
Herzen gehenden Lied oder sonst einer intensiven religiösen
Erfahrung geht es zurück in den Alltag.
Aber das Gute ist:
Auf jede Strecke im
Alltagsgrau kann auch wieder ein starkes religiöses Erleben folgen,
denn auch kein Tief währt ewig.
3. „Das ist mein
auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören." (v35)
Jesus war ein Mann seiner
Zeit, ein religiöser Jude, beschnitten, er aß und trank, was das
Land wachsen ließ, lernte einen für seine Region naheliegenden
Beruf von seinem Vater und wanderte schließlich durch die schöne
Gegend rings um den See Genezareth.
Dieser Mann wird hier von
Gottes Stimme aus dem Himmel folgendermaßen charakterisiert: „Das
ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören." (v35)
Den Jüngern wird damit
klar gemacht, dass sie mit jemandem unterwegs sind, der immer und
ganz in der Nähe Gottes ist.
Ihm können sie vertrauen,
seine Worte können sie ernst nehmen, sein Handeln weitererzählen.
Denn bei seinem
provokanten Auftreten gegenüber denen, die sich für ganz besonders
fromm halten, weil sie alle religiösen Gesetze wörtlich nehmen und
bei all den Anfeindungen, die Jesus deshalb erfährt, war es gut,
eine solche Bestätigung zu bekommen.
Auch wir können uns – bei allen
teilweise ja durchaus berechtigten Anfeindungen, die es gegen den
Glauben und die Kirche gibt – fragen, für
wen wir Jesus denn halten.
Darum geht es, bei aller legitimen Kritik an der Institution Kirche, ja eigentlich: Um die Beziehung zu Jesus.
Wer ist er für mich? Ein besonderer
Mensch – ein von Gott Begnadeter, ein Opfer der Umstände, ein
Naivling?
Und wir können uns
fragen, ob wir darauf vertrauen, dass wir in ihm Gott begegnen
können.
Dass er uns zum Ziel
unseres Lebens führen kann.
Dass wir in seiner
Auferstehung auch unsere Hoffnung schon sehen.
Dass wir auch in dunklen
Stunden auf seine Anwesenheit hoffen, die wir nicht spüren.
Dass wir sogar in dieser
kaputten Kirche der Gegenwart noch Heil erfahren können.
Den Weg weitergehen. Fangschleuse, Bahnhof, Brandenburg, 2019. |
1 Der
ganze Text ist zu finden im Gotteslob unter der Nummer 331.
Hinweis: Das von Wikipedia gegenüber
gestellte Original von 1630 zeigt allerdings, dass der Text dort
noch ohne die Nutzung des Wortes "verklärt"
auskam: "komm / komm o komm / komm jung vnd alt / komm schaw
die schöne Leibsgestallt". Trotzdem bleibt die
grundsätzliche Aussage erhalten, wie gleich noch zu sehen sein
wird.
Vgl. zum Text: https://de.wikipedia.org/wiki/Ist_das_der_Leib,_Herr_Jesu_Christ
Vgl. zum Text: https://de.wikipedia.org/wiki/Ist_das_der_Leib,_Herr_Jesu_Christ
2 Vgl.
die Einführung zum Studientag von Julia Knop unter:
https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2019/2019-038a-FVV-Lingen-Studientag-Einfuehrung-Prof.-Knop.pdf