"Viele Beratungsaktivitäten
basieren auf der Annahme, dass die Adressaten bereit sind, ihr
Verhalten zu ändern ... Dies trifft aber nur für einen ganz kleinen
Teil der Bevölkerung wirklich zu. Wesentlich mehr Menschen befinden
sich zum Zeitpunkt der Beratung in Stadien der Absichtslosigkeit
(Precontemplation) oder der Absichtsbildung (Contemplation)."1
Mit anderen Worten: Es passiert nichts,
weil die Betreffenden einfach nicht motiviert sind. Veränderung ist
gar nicht gewollt, es existiert kein Problembewusstsein.
Wer mit diesen Gedanken aus der
Motivationspsychologie im Hinterkopf auf die Anfänge der Kirche
schaut, wie sie am Pfingstfest gefeiert werden, dem kann ein Licht
aufgehen.
Gilt auch an Pfingsten? Kletterausrüstung, Berlin, 2019. |
Bisher saßen die Apostel in Jerusalem
herum. Vielleicht glaubten sie an die Auferstehung, vielleicht kam
ihnen Jesus schon himmelweit fern vor. Jedenfalls hatten sie seinen
Auftrag, in alle Welt zu gehen und den Menschen seine Botschaft zu
bringen, nicht ausgeführt.
Sie waren auch nicht bereit, dieses
Verhalten zu ändern. Vage Absichten, die sie eventuell hatten, haben
sie jedenfalls nicht in Bewegung gesetzt.
Das "transtheoretische Modell
der Verhaltensänderung" stellt nach diesen beiden Phasen
die folgenden weiteren "stages of change" vor:
konkrete Vorbereitung (Preparation) einer Änderung,
tatsächliche Handlung (Action) und schließlich die
Aufrechterhaltung (Maintenance) der Änderung.
Angewendet auf das Pfingstereignis
scheinen die Apostel es endlich geschafft zu haben, aus ihrer Hütte
herauszukommen (vgl. Apg
2,1-11) und ihr Wollen in eine erste Handlung umzusetzen.
Als Christen sprechen wir davon, dass
der Heilige Geist sie erfüllte und dazu bewegt hat, tatsächlich
verkündigend aktiv zu werden. Die Psychologen benennen die Ziele bei
diesem Schritt: "Verstärken des Vertrauens in die eigenen
Fähigkeiten, Unterstützen der Implementierung der neuen
Verhaltensweisen, Mobilisierung sozialer Unterstützung"
Sozial dürften sich die Apostel
gegenseitig bestärkt haben. Das Vertrauen in die neu empfangenen
oder neu entdeckten eigenen Fähigkeiten, von Jesus als dem Erlöser
zu sprechen, scheint mit dem Erfolg gewachsen zu sein, auch wenn die
Gefahr der Verfolgung immer noch in der Luft lag.
Ergo: Das "Zielverhalten"
wird ausgeübt, die Predigt vom Messias Gottes, vom gekreuzigten und
auferstandenen Jesus nimmt ihren Anfang.
Doch Kirche würde nicht mehr bestehen,
wenn es keine Konsistenz dieser Predigt und des Lebens nach dem
Beispiel Jesu gegeben hätte.
Langfristiges Ziel der
Verhaltensänderung bei den ängstlichen Jüngern musste also sein:
"das Zielverhalten stabilisiert sich", es kommt zu
einer "Automatisierung" des Zielverhaltens,
Rückfälle werden konstruktiv verarbeitet.
Sie scheinen das geschafft zu haben.
Irgendwie hat der göttliche Geist in ihnen eine Verhaltensänderung
angestoßen und ihnen die Kraft gegeben, trotz Rückfällen auf
diesem Weg zu bleiben, so dass die Kirche wachsen und sich ausbreiten
konnte.
Mit Blick auf die heutige Kirche, die
ja allenthalben um ein neues Pfingsten betet und sich Reformen
Aus dem Rückblick nämlich konnten die
Jünger sicher auf eine Reihe Erfolge zurückschauen, aus heutiger
Sicht hätten sie es jedenfalls gekonnt.
Immerhin ging die Botschaft Jesu und
das Zeugnis von der Liebe Gottes zu allen Menschen um die Welt.
An dieser Stelle steht zwar auch die
heutige Kirche. Aber damit diese Botschaft und dieses Zeugnis auch in
unserer westlichen Welt wieder ankommt, sind eine ganze Reihe von
Aufbrüchen und Änderungen nötig.
Wahrscheinlich muss sich jede Gemeinde
und jede Ortskirche fragen, ob sie schon genügend Problembewusstsein
hat. Denn allen Beteuerungen zum Trotz befinden sich viele Christen
hierzulande weiterhin in der „Phase der Absichtslosigkeit“.
Dazu gehört auch das Abschieben wesentlicher Fragen auf die
Hierarchie. Das reicht jedoch nicht mehr!
Es ginge inzwischen darum, den Heiligen
Geist zu bitten, dem „Herausstellen von Vorteilen einer
Verhaltensänderung“ in unseren Köpfen mehr und mehr den Weg
zu bereiten.
Und dann mag der Geist seine erste
entscheidende Frage stellen:
„Was wollen Sie ab sofort
erproben?“
Sofort erproben! Zinnowitz, Usedom, 2019. |
1 So
wird die Ausgangslage vieler Patienten nach dem Modell von Prochaska
und Di Clemente beschrieben in:
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/medizinische_klinik/Abteilung_2/Sektion_Allgemeinmedizin/publikationen/Veroeffentlichungen/ludt_sz_patienten_123.pdf.
Auch die folgenden Erläuterungen der verschiedenen Phasen folgen im Wesentlichen diesem Text, die Zitate und Begriffe sind ihm entnommen auf den Seiten 125.126.127.
Auch die folgenden Erläuterungen der verschiedenen Phasen folgen im Wesentlichen diesem Text, die Zitate und Begriffe sind ihm entnommen auf den Seiten 125.126.127.