Samstag, 21. Mai 2022

Was braucht es zum Christsein? Predigt zu Apg 15 und Joh 14

1.
Es ist dies einer der entscheidendsten Textabschnitte, den die Apostelgeschichte zu bieten hat, wenn es um die Frage geht, wie sich die ersten Gemeinden in ihrer Stellung zum Judentum entwickeln.
Denn wie man hörte (15,1-2.22-29), gab es einige, die sagten, diejenigen, die als Nichtjuden zum Glauben an Jesus als den Sohn Gottes gefunden hatten, müssten sich erst beschneiden lassen und alle Gebote der Tora befolgen, bevor sie vollgültig Mitglieder der neuen christlichen Gemeinde werden könnten.
(Man merkt auch: im Blick waren vor allem die Männer als Zielgruppe der Verkündigung – gut, dass das heute anders ist.)
Paulus und Barnabas, die beiden Missionare, widersprachen diesem Standpunkt entschieden – sie waren der Meinung, dass Beschneidung und die Gesetze der Tora für die Christgläubigen keine solch weitreichende Bedeutung haben und man darum Christ:in werden kann, ohne zuvor zum Judentum zu konvertieren.

Auf die kleinen Dinge kommt es (nicht) an?!
Jena, 2022.
Die hatten Probleme, könnte man nun sagen! Aber die Entscheidung im Sinne von Paulus und Barnabas war entscheidend für den weiteren Weg den Christentums. Denn dadurch blieb es keine Untergruppe des Judentums, sondern konnte zu einer weltweiten Religion werden. In Respekt vor den eigenen Wurzeln im Judentum, gewiss, aber abgelöst von den Regularien der Tora.

Jedenfalls weitgehend – denn wie wir hören, verständigte man sich auf einige kleinere Dinge, die die auch die neuen Christ:innen meiden sollten: Blut und Ersticktes, Unzucht und Götzenopferfleisch.
Eine aus unserer Sicht etwas eigenartig anmutende Ansammlung von Forderungen.
Aber augenscheinlich dienten sie dazu, die ersten Gemeinden, die aus Juden und Heiden bestanden, zusammen zu halten.

Man verständigte sich auf einige wesentliche Dinge, auf die man sich neben dem Bekenntnis zu Jesus als den göttlichen Messias einigen konnte.
Die genannten Punkte sind schnell nicht mehr wichtig gewesen. Aber im Laufe der Kirchengeschichte kamen andere Dinge dazu, auf die man sich einigen musste. Sei es die Frage, ob man sich von Ehepartnern scheiden lassen könnte, sei es die Frage, ob Ikonen verehrt werden dürften, sei es die Frage, unter welchen Umständen man ein geistliches Amt in der Kirche bekleiden könnte. Aktuell stellen sich viele in der katholischen Kirche in Deutschland die Frage, ob wir gegenüber jenen Gliedern der Kirche, die sich nicht heterosexuell zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen, wirklich einladend und herzlich sind und was getan werden kann, damit sich alle willkommen fühlen.

So wie damals ist es auch heute ein Ringen zwischen unterschiedlichen Positionen, die irgendwie zueinander kommen müssen.

Es wäre ja schon interessant, auf was sich der hiesige Gemeindeteil in Golzow mit den Gemeindemitgliedern in Hohenjesar und Müllrose und Frankfurt und Müncheberg und all den anderen einigen könnte, wenn es darum geht, was neben dem Glauben an Gott unaufgebbar notwendig ist, um zu dieser Gemeinde zu gehören.
Was braucht es also, um hier Christ:in zu sein?

(Und in Klammern gefragt: Worauf könnte man sich mit den evangelischen Gemeindegliedern vor Ort einigen, um einander näher zu kommen? Wäre das nicht genauso viel – und würden bei uns wirklich wesentliche Punkte anders ausfallen als bei ihnen?)

2.
Das Evangelium hat dann wiederum einen ganz anderen Fokus – nicht irgendwelche Regeln oder Kompromisse stehen im Mittelpunkt, sondern die Liebe zu Jesus Christus (Joh 14,23-29).
Wenn jemand mich liebt, wird er (oder sie) mein Wort halten.“, sagt er. Ich finde es ja beruhigend, das zu hören.

Denn in meiner Auffassung vom Christsein stehen die Regeln und Fragen, was ich essen oder tun oder lassen soll, nicht losgelöst da, sondern stehen im Zusammenhang mit der einen wichtigen Frage, ob ich Gott liebe.

Alle anderen Dinge können schon sinnvoll zur Religionsausübung dazugehören – und ich kann am Freitag fleischlos essen oder im Mai den Rosenkranz beten. Aber entscheidend ist doch, ob ich all das aus Liebe zu Gott tue.
Denn manchmal drängeln sich diese anderen Fragen so sehr in den Vordergrund, dass dieses Zentrum aus dem Blick gerät. Ein wenig so scheint es ja in der Apostelgeschichte gewesen zu sein.

Darum schärft Jesus unseren Blick neu: Es geht um die intime Beziehung mit Gott selbst. Wer sich in seinem Alltag immer wieder vergegenwärtigt, dass Gott liebevoll auf uns schaut, der wird auch sein Handeln danach ausrichten. Der oder die wird mehr oder weniger von selbst „mein Wort halten“, wie Jesus sagt.

Und das kennen wir eigentlich auch: Die Liebe wird im Handeln sichtbar. Wer liebt, wird bestimmte Dinge einfach nicht mehr tun, die der geliebten Person unangenehm sind oder die unpassend sind.

Als Folge dieser Liebe heißt es dann: „und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen“ (v23).
Das ist die frohe Botschaft dieses Sonntags: Gott möchte uns nahe sein – und unsere liebevolle Offenheit ist sein Eingang zu uns.
Wir müssen nicht bis ans Ende der Welt reisen, müssen nicht furchtbar anstrengende Dinge tun (sogar Blutwurst ist uns erlaubt) – was wir tun müssen, ist unser Herz zu öffnen für die Liebe.

3.
Das permanent präsent zu haben, fällt nicht immer leicht.

Darum verspricht Jesus die Erinnerung durch den Heiligen Geist. Er setzt also noch eins drauf: Nicht nur, dass wir keine wilden Dinge leisten müssen. Nein: Wir werden auch noch an die liebevolle Offenheit auf Gott hin erinnert und außerdem innerlich gestärkt.

Gerade in dieser Zeit brauchen wir das manchmal besonders: Die Erinnerung, dass bei all dem Chaos in der Welt Gottes Liebe ein Anker sein kann. Und die Zusage, dass wir innerliche Stärkung bekommen: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (v27)

Es ist aus menschlicher Sicht fast schon ein Ding der Unmöglichkeit, den Mut in diesen Tagen nicht zu verlieren – Normalität ist kaum möglich. Kaum haben wir die Pandemie halbwegs hinter uns gebracht, rüttelt uns der Krieg in der Ukraine auf, bei dem täglich Menschen sterben – und die Klimakatastrophe rückt unaufhaltsam näher.

Und trotz allem vertrauen wir darauf, dass Gott die Welt in seinen Händen hält.
Was braucht es also zum Christsein, könnten wir die Frage vom Anfang noch einmal aufnehmen.
Die Liebe zu Gott als die Basis eines liebevollen Handelns.
Das Vertrauen, dass Gott die Welt trotz allem hält.
Und alles Weitere kommt dann hinzu, je nach Konfession und Tradition.

Ich wünsche Ihnen diesen Frieden und diese Ruhe im Heiligen Geist, die er verspricht.
Ich wünsche Ihnen die liebevolle Verbindung mit Gott.
Und ich wünsche Ihnen die gelingende Gemeinschaft mit den Christ:innen um sie herum.

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