Es sagt nämlich, dass unser Leben
eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen
Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und
zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision
dafür hat.
1. Erläuterung zum jüdischen
Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als
einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn
vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes
heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu
finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:
Im Tempel. Propsteikirche, Leipzig, 2018. |
Zum einen geht das Denken jener Zeit
davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das
heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten
kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt
sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der
Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht
werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche
Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste
Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück
auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus
Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während
die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die
Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die
Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise
im Text:
Der Evangelist betont außerdem die
Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit
ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten
Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des
Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders
herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für
alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr
gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten
Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie
das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen."
(v22)
Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich
dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen
werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten
ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie
doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern
gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und
trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als
Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott.
2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas
Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen
und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es
das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für
Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren
werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele
aufgerichtet werden". (v34)
Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es
immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie -
höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den
weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose
erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit
sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch
nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den
Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen:
„Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit
schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt. Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018. |
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über
das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun
müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich
solcher Aussagen.
Simeon scheint sich jedoch sehr sicher
zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn
in den Tempel geführt habe (vgl. v27).
Als Erwachsener fragen Sie sich
natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem
deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn
Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so.
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige
Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen,
die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur
selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie
haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar
nicht bereit.
Das Schöne ist nun, dass es eine
Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die
Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist
die Perspektive Gottes.
Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor!
Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst
Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und
zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für
jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören.
Sie können ein
Licht sein!
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein!
Sie
können Menschen retten!
Und seien Sie beruhigt: Auch für
Jesus war das nicht leicht.
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn
er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben
eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird
oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er
wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)
Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat
sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein
Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person.
Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur
Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass
Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.
Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen
darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist
der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit
Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer
Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst
Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)
3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern:
Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren
werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders
die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden
besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den
Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern
nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch
schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen
nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine
gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und
friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.
4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den
Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem
widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!
Wohin soll es gehen, Gott? Im Wald bei Grünheide, 2018. |
1 Vgl.
zum Folgenden die Hinweise unter
http://www.perikopen.de/Gedenktage/2Feb_Darstellung_Lk2_22-40_Dorn.pdf.