Heute wird in Rom
der Seligsprechungsprozess
von Pedro Arrupe eröffnet.
Neben vielen
innerkirchlichen Themensetzungen hat er schon vor vierzig Jahren er
den Finger in jene Wunden gelegt, die uns heute besonders schmerzen.
Ich beziehe mich im Folgenden auf einen Vortrag, der am 21.11.1977 in
Montreal1
gehalten wurde:
Der Raubbau an den Gütern
der Erde und die ungleiche Verteilung von Lasten und Erträgen ist
ein anhaltender Skandal. Arrupe legt Wert darauf, dass dieser Skandal
Ausdruck einer Kultur ist, die den Menschen zum "homo
consumens" degradiert. Für diesen sind Profitmaximierung
und Effizienz die entscheidenden Maßstäbe, sogar die Beziehungen
sind dem Nützlichkeitsdenken untergeordnet. Darunter leiden in
besonderer Weise die Armen und die Natur.
Der Ordensmann resümiert
im Anschluss an seine Problemanzeige grundsätzlich:
"Nach all dem
scheint es klar, daß Genügsamkeit oder ein eingeschränkter
Lebensstil für das materielle und soziale Überleben der Menschen
unbedingt notwendig sind."
Da fehlt doch was!? Neukölln, Berlin, 2019. |
Arrupe empfiehlt deshalb
eine "Gesellschaft der Genügsamkeit", in der die
Menschen "sich nicht mehr nach Besitz, sondern nach mehr
Leben" sehnen.
Allerdings weiß er um die
Stolpersteine:
"Jeder gibt die
Notwendigkeit von wirkungsvollen Schritten zu. Das kann nicht ohne
große Opfer geschehen, aber wer ist bereit, sie zu bringen? Niemand
unternimmt etwas, weil niemand eine genügend starke und überzeugende
Motivation für die Art von Opfern hat, die ein genügsameres Leben
erfordert. Der Arme sagt: 'Laß den Reichen beginnen; ich lebe schon
genügsam genug!' Der Reiche fragt: 'Warum soll ich aufgeben, was ich
mir rechtmäßig erworben habe? Es wird niemandem nutzen, wenn andere
nicht genauso handeln. Sollen sie anfangen, dann werden wir ja
sehen!' Und auf diese Weise unternimmt niemand etwas."
Einen ähnlichen Eindruck
kann man auf den einschlägigen Konferenzen gewinnen und die
Frustration darüber bewegt (nicht nur) junge Menschen wie die
Schwedin Greta Thunberg und Tausende Schülerinnen und Schüler
weltweit ("friday for future").
Denn das Dilemma ist
natürlich allbekannt: Warum soll gerade ich auf meinen Urlaub im
Süden verzichten? Muss denn alles gleich mit Verzicht zu tun haben?
Eine ganze Industrie ist
damit beschäftigt, uns Konsumenten das Umweltgewissen ruhigzustellen
und die persönlichen Kosten erträglich zu halten. Und einen
Lebensstil pflegen, der gesellschaftlich möglichst anerkannt ist. Damit es nur ja nicht zu sehr weh tut und sich wie
Verzicht oder Entbehrung anfühlt.
Hier ist Widerstand geboten. Denn wir werden nicht
drumherum kommen. In den Siebzigern sprach Arrupe zu Ordensleuten,
aber die Botschaft, um die es damals wie heute geht, betrifft auch
uns und bleibt ein Stein des Anstoßes:
"Wir sollten auf
viele Dinge, die uns notwendig erscheinen, verzichten."
Eigentlich ist es so
einfach wie einleuchtend. Allein, die Umsetzung...!
Dabei folgt diese
Aufforderung einer Logik, für die weder Religion noch Weltanschauung
vonnöten sind, es ist einfach der Menschenverstand, der Genügsamkeit
gebietet.
Das Christentum bietet
jedoch eine naheliegende Motivation – statt als "homo
consumens" zu leben, sind die Gläubigen aufgerufen, in den
Spuren Jesu zu "homines servientes" zu werden, zu
dienenden Menschen, die in ihrem Leben glaubwürdig die "Bekehrung
zur Genügsamkeit" vorleben.
Und diese Bekehrung haben
wir alle nötig.
Ich bin Pedro Arrupe sehr
dankbar für diese hochaktuellen Gedanken.
Was brauche ich davon wirklich? Holz im Hinterhof, Treptow, Berlin, 2016. |
1 Über
die Aufgabe der Orden in der modernen Konsumgesellschaft. Aus dem
Vortrag zur Eröffnung des Dritten Interamerikanischen Kongresses
für Ordensleute. In: P. Arrupe, Unser Zeugnis muss glaubwürdig
sein. Ein Jesuit zu den Probleme von Kirche und Welt am Ende dees
20. Jahrhunderts. Ostfildern 1981, 143-156.