John ist Sohn eines
Predigers und als solcher mit Küsterdiensten beauftragt. Allerdings
hadert er mit dem Glauben, den seine Familie ihm vorlebt und der auf
intensiver Gotteserfahrung fußt. Seine Erfahrung ist eine andere,
als er zur Vorbereitung des abendlichen Gottesdienstes den
Kirchenraum betritt:
Licht ins Dunkel. St. Johann Baptist, Jena, 2015. |
"Um sechs schloss
John mit dem Schlüssel seines Vaters die Tür zur Kirche auf. Die
Gebetsversammlung fing eigentlich um acht an, konnte aber jederzeit
beginnen, wann immer der Herr ein Gemeindemitglied zum Beten in die
Kirche schickte. Nur selten allerdings kam jemand vor halb neun, der
Geist des Herrn war so nachsichtig, den Gläubigen Zeit zu lassen für
ihre Samstagabendeinkäufe und ihren Hausputz und die Kinder, die sie
ins Bett bringen mussten.
John machte die Tür
hinter sich zu und stand in dem schmalen Mittelgang; hinter sich
hörte er die Stimmen spielender Kinder und gröbere Stimmen, die von
Erwachsenen, die auf der Straße schimpften und riefen. Es war dunkel
in der Kirche, auf der belebten Avenue waren um ihn herum die
Straßenlaternen angesprungen und das Tageslicht war verschwunden. Er
stand wie angewurzelt auf den Holzdielen, seine Beine wollten ihn
keinen Schritt weitertragen. Dunkelheit und Stille der Kirche
bedrängten ihn, kalt wie Gottes Gericht, und die lauten Stimmen vor
dem Fenster hätten ebenso gut aus einer anderen Welt hereinrufen
können."1
John ist in einem
Zwischenraum:
Er ist angekommen, aber
weitergehen will er nicht.
Alles ist ihm gut bekannt,
bleibt aber trotzdem fremd.
Die Pflicht ruft, aber die
Gefühle streiken.
Wenn wir nun an der
Schwelle zu Weihnachten stehen, ist für uns die Zeit herangekommen;
ganz egal, ob wir Lust darauf haben oder nicht, Weihnachten kommt.
Ob wir auch innerlich
ankommen, bleibt offen.
Heute bete ich darum, an
Weihnachten bereit zu sein für Gottes Kommen.
Mehr zu dem geistreichen
Buch von James Baldwin findet sich hier.
1 J.
Baldwin, Von dieser Welt. Neuübersetzung, München 2018 (Original
1953), 78f.