Die Musiklehrerin Anne
gerät mit ihrem Leben an die Grenze der Überforderung, als sie
mitbekommt, dass ihr Freund sie betrügt. Darum wird sie im Verlauf
von Dörte Hansens Bestseller aus Hamburg in das titelgebende Alte
Land entfliehen. Zuvor jedoch holt sie ihren Sohn Leon aus der Kita
ab, allerdings leicht verspätet:
Irgendwas mit Warten und Tannengrün. Erkner, 2018. |
"Im Gruppenraum
der Käfer standen die Stühle auf dem Tisch, der Boden war gefegt,
gewischt, schon wieder trocken, jetzt legte Marion im Wickelraum die
Handtücher zusammen, was gar nicht ihr Job war. Sie war hier nicht
die Hauswirtschafterin, sie war die pädagogische Leiterin der
Käfergruppe, und während sie ein bisschen heftiger als nötig an
den unschuldigen Handtüchern zerrte, behielt sie Leon im Auge, der
wie bestellt und nicht abgeholt in der Spielecke saß. Ihm schien das
allerdings nichts auszumachen, er baute konzentriert an einem Turm,
der mittlerweile fast so hoch war wie er selbst.
Es waren immer
dieselben Eltern, die viel zu spät hier angehechelt kamen und dann
am liebsten noch die große Verzeih-mir-Show abzogen. Aber das hatte
sie ihnen inzwischen ganz gut abgewöhnt.
Als Anne in den
Gruppenraum stürzte, gab Leon seinem Turm einen Tritt, und die
Bauklötze flogen donnernd durch den ganzen Gruppenraum, was Marion
nicht toll fand, besonders nicht um acht nach drei."1
Es scheint sich um den
Alptraum der schlimmstmöglichen Ankunft zu handeln – verspätet
und unter den strengen Augen einer Wartenden.
Selbst zu spät kommen
oder (in der Kälte) auf jemanden warten müssen, das sind
Herausforderungen, die jeden je nach Veranlagung anders betreffen,
die einen von dieser, die anderen von jener Seite.
Zum Glück wartet Gott nicht
so genervt auf uns wie die Marion im Text, wenn wir es wieder einmal nicht
schaffen, zu ihm zu kommen. Gott wartet geduldig auf uns.
Vielleicht ist heute Zeit,
(wiederum je nach Veranlagung) entweder diejenigen, die unter meinem
Zu-spät-Kommen leiden, im Gebet vor Gott zu bringen oder jene
geduldig und liebevoll vor mein inneres Auge zu holen, auf die ich immer mal
warten muss.
1 D.
Hansen, Altes Land. 8. Aufl. München 2017, 68.