Montag, 24. Dezember 2018

Ankunftszeit 24 – Geliebt in "Königskinder" von Alex Capus

Marie ist die Tochter eines wohlhabenden Bauern, Jakob ein Waise, der Jahre für Jahr die Kühe des Bauern oben in den Bergen hütet. Jedes Jahr bringt Jakob die Herde ins Tal und sieht Marie. Aber dieses Jahr ist etwas anders.

Auf der Weide.
Linumer Bruch, 2018.
"Neben Marie steht wachsam ein Hund. Sie tätschelt ihm zärtlich die Flanke, dann winkt sie rasch zu Jakob hinüber. Er winkt zurück. Marie und Jakob winken einander schon seit sieben Jahren von ferne zu. Aber näher gekommen sind sie sich noch nie, der Bauer hat es nicht zugelassen. ...
Er sieht sie und sie sieht ihn, die beiden verstehen gar nicht, was vor sich geht, sie kennen die Liebe noch nicht. Marie hat sie bei ihren Freundinnen beobachtet und versteht sie als einen Zustand vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit bei erhöhter Körpertemperatur. Für Jakob ist sie das, was der Stier auf der Weide mit der Kuh macht.
In dieser einen Sekunde aber, da sie einander zuwinken, erkennt Marie im klaren Blick seiner hellgrauen Augen, dass er sie ganz und gar wahrnimmt, ohne Vorbehalt und ohne Urteil, und auch Jakob kann sehen, dass sie ihn erkannt und in sich aufgenommen hat. Wie ein Blitz durchfährt sie beide die Erleuchtung, auf einen Schlag wird ihnen alles, wirklich alles klar..."1

Die Liebe ist da.
Mit einem Schlag hat sie die beiden übermannt und alles auf den Kopf gestellt.
Was sie vorher über die Liebe zu wissen glaubten, gilt nun nicht mehr.
Denn nun stellt sich Klarheit ein.

So tritt auch Gottes menschgewordene Liebe in die Welt und alles, was wir Menschen vorher über Gott und Mensch zu wissen glaubten, steht danach auf dem Kopf – oder besser: endlich auf den Füßen.

Heute danke ich Gott für seine Liebe, die der tiefste Grund ist, warum er zu uns kommt.



1   A. Capus, Königskinder. München 2018, 35.37.