Donnerstag, 13. Dezember 2018

Ankunftszeit 13 – Erfüllt in "Unter der Drachenwand" von Arno Geiger.

Veit reist mitten im Zweiten Weltkrieg verwundet aus dem Lazarett nach Hause, um wieder auf die Beine zu kommen. Eine tagelange Fahrt liegt hinter ihm:

Großer Bahnhof.
Hamburg, 2015.
Zitternd wartete ich im Dunkel der Nacht, döste bis fünf in der Früh, draußen kalt und trübe. Infolge meiner Müdigkeit waren die Nerven stumpf. Was in den letzten Tagen und Wochen mein sehnlichster Wunsch gewesen war, stand jetzt knapp vor der Erfüllung. Aber ich kam nicht zu Bewusstsein und konnte das Erlebte nicht fassen.
In Wien war es mitten am Vormittag, als der Zug einfuhr. Wieder Bahnhof, Westbahnhof, nach der langen Abwesenheit kam er mir vor wie ein Opernhaus. Erinnerungen tauchten auf, verschwanden, wie alles. Weiter ging’s zu Fuß und mit Krücken über die Felberstraße nach Hause. Nichts zählte, außer dass ich am Leben war.1

Wenn sich nach einer mühsamen und beschwerlichen Reise endlich ein Ende abzeichnet, dann reduziert sich der Fokus nur noch auf das Nötigste.
Der junge Soldat hier weiß nur noch eines: Er hat überlebt!

Manchmal geht es mir mit meinen Wünschen auch so – da erfüllt sich das, was ich sehnlichst erhofft habe, und dann kann ich es gar nicht würdigen, weil körperliche Schwäche oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit meinen Geist trüben.

Was wünsche ich mir für den heutigen Tag?
Ich nehme mir vor, es dankbar zu genießen, wenn dieser Wunsch erfüllt wird.


1   A. Geiger, Unter der Drachenwand. München 2018, 21.