Eine geheimnisvoll düstere
Religion um Vögel und Vogelmenschen steht im Zentrum des Romans von
Susanne Röckel. Dabei empfinden die Hauptakteure ihre inneren
Zustände und Erinnerungen so stark, dass alles, was mit vogelartigen
Wesen oder Engeln zu tun hat, für sie zu einer persönlichen Prüfung
wird. Hier kommt Lorenz gerade auf das Gelände einer Klinik.
An ihrem Ende war das
Empfangsgebäude, ein wuchtiger historistischer Pavillon mit
steinernem Posaunenengel über dem Tor, der auf einer Weltkugel mit
der Aufschrift 'Morton-Arzneien' stand. Er schien dem bekannten
Posaunenengel von Wohlmuth nachgebildet zu sein.
Als ich mich ihm
näherte, überwältigte mich schockartig die Erinnerung. Ich fühlte
mich in meine Kindheit zurückversetzt. Jenes Gemälde, das über
einem Seitenaltar in St. Michael hing, war mir während der
regelmäßigen Gottesdienstbesuche unserer Familie immer lebhaft
gegenwärtig gewesen, und wie damals ergriff eine diffuse,
gegenstandslose Furcht von mir Besitz."1
Diese Ankunft löst Angst
aus. Plötzliche Erinnerungen überschwemmen den Erzähler, ohne dass
er sich ihrer erwehren kann.
Auch manche Adventstexte
scheinen auf den Schockeffekt zu setzen. Anders als im vorliegenden
Text aber soll das Erschrecken reinigend wirken und zu einer
rettenden Begegnung führen.
Dagegen steht die
„diffuse, gegenstandslose Furcht“ von Lorenz – etwas,
das nicht greifbar ist, löst Angst in ihm aus.
Die Frage lautet
heute darum: Welche diffuse Frage, welche stumm mitlaufende
Sorge, welche unausgesprochene Komplikation müsste
ich beim Namen nennen, um sie greifbar zu machen und zu bewältigen?
Vielleicht gelingt mir das in diesen Tagen –
beispielsweise, wenn ich diese Sache in einem Gebet ausspreche.
Mehr zum Roman in dieser Rezension.
1 S.
Röckel, Der Vogelgott. Salzburg und Wien 2018, 209.