Freitag, 14. Dezember 2018

Ankunftszeit 14 - Frei in "Sonnenfinsternis" von Arthur Koestler

Der ehemalige Star der Partei Rubaschow wird Opfer einer Säuberungskampagne in der stalinistischen UdSSR der späten 1930er Jahre. Mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen und verhaftet, bringt man ihn zum Gefängnis.

Elektrisches Licht.
Mühle von Müllrose, 2017.
"In allen Korridoren des neuen Prachtgefängnisses brannte elektrisches Licht. Es lag fahl auf den eisernen Galerien, den kahl getünchten Wänden, den Zellentüren mit den Namenskarten und den schwarzen Löchern der Spione. Rubaschow war dieses fade, reflexlose Licht und die schrille Akustik ihrer Schritte auf den Steinfliesen so vertraut, daß er einige Sekunden lang mit der Illusion spielte, wieder zu träumen. Er wollte sich gerne einreden, daß er wirklich daran glaubte. 'Wenn es dir gelingt, dich davon zu überzeugen, daß du nur träumst, dann wird es wirklich nur ein Traum sein', dachte er. ... 
Inzwischen waren sie schon bei Zelle 404 angelangt. Über dem Spion hing eine Karte, auf der sein Name stand, Nicolas Salmanowitsch Rubaschow. 'Die haben ja alles schön vorbereitet', dachte Rubaschow, der Anblick seines Namens auf der Karte berührte ihn unheimlich. Er wollte noch eine Zusatzdecke wegen seines Rheumatismus vom Aufseher verlangen, da knallte bereits die Zellentür hinter ihm ins Schloß."1

Dort, wo sich niemand wirklich wohlfühlen kann, nämlich im Gefängnis, ist „ja alles schön vorbereitet“. Was so fürsorglich klingt, ist ganz gewiss nicht gastfreundlich!

Wenn ich mich im Advent auf Gottes Kommen vorbereite, lasse ich ihn dann frei, wenn er zu mir kommt? Habe ich lieber einen Gott nach meinem Bilde bei mir? Oder bin ich in meiner ganzen Gastfreundlichkeit trotzdem freilassend?


Von einem anderen Mann, der in seiner Haftzeit Wichtiges erlebte, nämlich den Tagesheiligen Johannes vom Kreuz, findet sich mehr hier.


1   A. Koestler, Sonnenfinsternis. Nach dem deutschen Originalmanuskript. Coesfeld 2018 (Original 1940), 28.