Mittwoch, 12. Dezember 2018

Ankunftszeit 12 – Stürmisch in "Nebentage" von Thorsten Palzhoff

Als seine Wohnung abbrennt, begibt sich Felix Fehling, ein junger Mann aus dem Westen Deutschlands in den mit den Wendewirren kämpfenden Osten:

Schmutzpfütze nach dem Sturm.
Neukölln, 2017.
"Ich stieg in den erstbesten Zug, um mal als blinder Klopassagier, mal als zahlender Gast über zunehmend zielstrebig gewählte Zwischenstationen im Kopfbahnhof von Leipzig zu enden – dort, von wo aus mich die Revolutionsbilder im Postkartenformat erreicht hatten. Ich wurde von einem Sturm empfangen, einer Menschenmasse, einer Stadt im Ausnahmezustand. ...
Ein Heulen kam über die Menge, das Gebrüll einer Sturmbö, irrsinnig, betäubend, unheilverkündend. Alles vibrierte: die Kolonne von Einsatzfahrzeugen, die im Wind nickenden Ampeln, der Laternenmast in meiner eiskalten Hand. Ich zerrte an der Kapuze meines Anoraks, die mir vom Kopf explodiert war, und lief auf den pulsierenden Widerschein von Blaulichtern zu."1

Der Protagonist kommt in einer politisch wie meteorologisch stürmischen Zeit nach Leipzig. Die Großwetterlage weist auf Krawall.

Welche Wetterverhältnisse herrschen bei mir: Weht in meinem Leben ein laues Lüftchen oder zieht ein Sturm durch? Scheint warm die Sonne oder friert es alle, die zu Besuch kommen?

Zur konkreten Besinnung: Wie würde sich Gott fühlen, wenn er jetzt in diesem Augenblick (vielleicht sogar als „blinder Klopassagier“ ganz unbemerkt) bei mir eintreten würde? Müsste er sich warm anziehen und seinen Hut festhalten? Oder herrscht in mir warm umfließender Sonnenschein?


1   T. Palzhoff, Nebentage. Frankfurt a.M. 2018, 93.97.