Dienstag, 18. Dezember 2018

Ankunftszeit 18 – Blockiert in "Ein russischer Roman" von Emmanuel Carrère

Ein russischer Roman“ erzählt viele Geschichten, die eng an des Autors eigenes Leben und Denken angelehnt sind. Am Ende des Romans dreht sich alles um die Beziehung zu seiner damaligen Lebensgefährtin. In der Form eines Briefes an sie rekapituliert Carrère eine Zeit starker Konflikte während eines Urlaubs auf Korsika:

Alle Türen offen - Ankunft geklärt?
Neukölln, Berlin, 2017.
"Wir fahren nach Ajaccio, um deine Freunde zu besuchen. Während der gesamten Fahrt schaue ich dich nicht an und bekomme die Zähne nicht auseinander. Du weist mich auf die Landschaft hin und möchtest, dass ich sie bewundere, ich antworte, sie sei mir völlig wurst. Das korsische Paar ist sehr korsisch und herzlich. Für den Abend haben sie geplant, uns zu einem Konzert mit korsischen und chilenischen Revolutionsliedern mitzunehmen. Ohne mich auch nur um eine Ausrede zu bemühen, erkläre ich, ich fühlte mich nicht gut und bliebe lieber allein da. Du bietest mir an, bei mir zu bleiben. Ich lehne ab."1

Wenn einer sich in seiner Blockade suhlt, prallt sowohl die schöne Landschaft als auch die Herzlichkeit der Gastgeber an ihm ab. Physisch kommt er am Ziel an, aber nichts kommt mehr bei ihm an, weil er von Groll besetzt ist.

Der Advent ist eine Aufforderung, solche „Besetzungen“ abzubrechen, damit es mir selbst und meiner Umgebung besser geht – und damit auch Gott eine Chance hat.
Gibt es gerade Blockaden, die ich überwinden muss, um mich für etwas Schönes öffnen zu können?

1   E. Carrère, Ein russischer Roman. Berlin 2017, 235.