Mittwoch, 5. Dezember 2018

Ankunftszeit 5 – Schmerzhaft in "Neujahr" von Juli Zeh

Henning macht mit seiner Familie Urlaub auf Lanzarote. Am Neujahrsmorgen setzt er sich nach einer Reihe ruhig verbrachter Tage endlich aufs Fahrrad und will ein bisschen Sport machen.
Es folgt eine unerwartet anstrengende Strecke bergauf.
Schließlich kommt er völlig ausgelaugt in Femés an:

Strampeln mit Gegenwind.
Sachsen-Anhalt, 2017.
"Auf dem kleinen Kirchplatz lehnt er das Rad an die Mauer und fällt auf eine gemauerte Bank. Der Stein kühlt Oberschenkel und Rücken. Für einen Augenblick verschwinden die Schmerzen. Hennings Körper sinkt in sich zusammen, die Gedanken schweigen. Er spürt die Wärme der Sonne und das Streicheln des Windes, der hier in der Dorfmitte nur mäßig bläst. ... Henning hebt das Gesicht in die Sonne und spürt ihre Kraft. Sie lädt ihn auf wie einen Akku. Pure Energie. ... Als er aber aufstehen und aufs Rad steigen will, wird sofort klar, dass das nicht geht. Der Schmerz kehrt zurück, die Muskeln krampfen. Mit beiden Händen hält sich Henning am Lenker fest, setzt mühsam Fuß vor Fuß, als würde er gerade erst das Gehen erlernen."1

Eine Ankunft voller Schmerzen – der ausgelaugte Körper kann einfach nicht mehr.
Zwar stärkt die Sonne und gibt etwas Kraft, aber auch sie kann die Auswirkungen der Mühen nicht wegnehmen.

Der Glaube als Weg des Vertrauens auf Gott ist für viele Menschen sehr anstrengend. Damit es im Advent zu einer guten Ankunft von Gott und Mensch beieinander kommen kann, ist darum bisweilen harte innere Arbeit nötig.
Auch die Vorbereitung auf eines der höchsten christlichen Feste kann für den Glauben schmerzhaft sein, denn selbstverständlich ist nichts an diesem Fest. Ein Kind als Retter? Ein Gott im Stall? Ein Fest armer Leute?

Was strengt mich in meinem Glauben am meisten an? Was schmerzt mich vielleicht sogar, wenn ich an meinen Glauben denke?


Mehr zum Roman „Neujahr“ in dieser Predigt.


1   J. Zeh, Neujahr. München 2018, 72.73.