Die
Heldin des Romans beginnt als Nachtwächterin in einer Kartonfabrik
zu arbeiten und wohnt auch auf dem Fabrikgelände. Langsam freundet
sie sich auch mit ihrem Kollegen Clemens an.
Was ist da wirklich los? Schattenspiele, Grünheide, 2018. |
"Normalerweise
öffnet Clemens die Tür zum Überwachungsraum mit Schwung, geht,
während er den Mantel auszieht, zum Fenster, fragt, wie die Nacht
war oder ob sich etwas ereignet habe, und wirft den Mantel über den
Radiator. Jetzt aber bleibt er im Türrahmen stehen. Er hält einen
Zettel in der Hand.
Wie
war die Reise?
Gut,
sagt er.
Magst
du Kaffee?
Clemens
bleibt noch immer stehen. Dann macht er doch einen Schritt in den
Raum und hebt den Zettel hoch. Ich sehe das Papier in seiner Hand
leicht zittern.
Das
ist ein Phantombild der Polizei. Damit wird in der Stadt nach einer
Bankräuberin gefahndet. Das Bild sieht dir sehr ähnlich, bist du
das, fragt er und streckt mir das Papier entgegen.
Ich
schaue auf das Bild.
Das
soll ich sein?
Da
sind schon Ähnlichkeiten, der Mund, die Nase, findest du nicht?
Ich
sage, dass ich nicht glaube, dass ich das sei."1
Wenn ein Verdacht im Raum
steht, schwindet plötzlich alle Unbefangenheit.
Dann kann ein
Beziehungsgefüge leicht auseinanderbrechen, denn einer verbeißt
sich in seine dunkle Perspektive und kann auf einmal nichts anderes
mehr sehen.
Der Advent lädt uns ein,
mit offenen und unverstellten Augen auf Gott und die Nächsten zuzugehen. Manchmal müssen wir uns dafür erst die Augen putzen.
Die Frage heute: In
welchem Fall ist das bei mir besonders nötig?
Weitere Gedanken zu diesem
bemerkenswerten Buch finden sich hier.
1 G.
Molinari, Hier ist noch alles möglich. Berlin 2018, 140.