Der Autor ringt mit dem Christentum.
Ganz besonders kämpft er mit der
Frage, ob er selbst glaubt, und wie die Frühgeschichte des
Christentums damit zu tun hat. Davon handelt das monumentale Buch"Das
Reich Gottes" von Emmanuel Carrère.
Ganz am Ende berichtet er von der
Briefbekanntschaft mit einer Leserin, Bérengère, die ihn einlädt,
sich in einer "Arche" die Füße waschen zu lassen.
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Verletzlichkeit auf Teppich.
Kloster Alexanderdorf, 2020. |
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Wir ziehen uns die Schuhe und
Strümpfe aus und krempeln die Hosenbeine auf. Der Personalchef
beginnt Er kniet vor dem Schuldirektor nieder, gießt aus dem Krug
lauwarmes Wasser über seine Füße und rubbelt sie vorsichtig ab –
zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, es dauert ziemlich lang, und ich
habe den Eindruck, dass er gegen die Versuchung ankämpft, zu schnell
vorzugehen und das Ritual auf etwas rein Symbolisches zu reduzieren.
Den einen Fuß, den anderen Fuß, dann trocknet er ihn mit dem
Handtuch ab. Dann ist der Schuldirektor an der Reihe, und er kniet
vor mir nieder und wäscht mir die Füße, bevor ich die der
Caritas-Funktionärin wasche. Ich schaue diese Füße an und weiß
nicht, was ich denke. Es ist wirklich sehr seltsam, Unbekannten die
Füße zu waschen. Ein schöner Satz von Emmanuel Levinas fällt mir
ein, den Bérengère in einer Mail zitiert hat: über das menschliche
Gesicht, das einem verbietet, es zu töten, sobald man es sieht.
Sie sagte: Ja, das stimmt, aber auf Füße trifft es noch mehr zu,
Füße sind noch bedürftiger, noch verletzlicher, tatsächlich sind
sie das Verletzlichste, das Kind in jedem von uns. Und obwohl ich es
etwas peinlich finde, finde ich es auch schön, dass Leute zu diesem
Zweck zusammenkommen, um dem so nahe wie möglich zu sein, was das
Bedürftigste und Verletzlichste in der Welt und in ihnen selbst ist.
Das ist Christentum, sage ich mir."
Der Gründonnerstag ist sonst geprägt
von eben diesem Zusammensein, bei dem wir dem Verletzlichsten in der
Welt nahe kommen wollen.
Sie demütig bedienen zu lassen und
demütig zu dienen.
In diesem Jahr zeigt sich die
menschliche Verletzlichkeit besonders in verschiedenen Zusammenhängen
mit dem Corona-Virus.
Haben wir Mut, dorthin zu schauen!
Haben wir Mut, uns zu engagieren! Haben wir Mut, auch unsere eigene
Bedürftigkeit wahrzunehmen!
Und haben wir schließlich den Mut, das
Zusammensein mit Gott zu wagen, uns ihm hinzuhalten und uns von ihm
bereitmachen zu lassen für das Fest von Tod und Auferstehung.
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