Mittwoch, 22. Mai 2019

Großartiges Ich. Unverlierbare Würde. Über Maria und das Grundgesetz

Das Grundgesetz feiert Geburtstag.

Ich mag das Grundgesetz, also gratuliere ich gern.

Besonders denke ich, wie so Viele, an den ersten Satz.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art 1, Abs. 1, Satz 1, GG)

Ein hoher Anspruch, der trotz der scheinbar einfachen Botschaft missverständlich bleibt.

So richtig klar ist schließlich nicht, was genau diese Würde überhaupt sein soll.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt.

Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ (Lk 1,49)

Menschen - anders als Rinder.
Ehemalige Rinderauktionshalle,
Blankensteinpark, Friedrichshain, Berlin, 2018.
Würde kommt uns zu, weil jemand sie uns zuspricht.

Ein Anderer macht uns groß.

Besonders Christen erleben Würde als ein Geschenk, das nicht nur von anderen Menschen kommt.

Nicht jeder muss das so sehen, aber es liegt nahe.1

So verstanden ist der Satz Marias Ausdruck für ein Gleichgewicht.

Einerseits: Sie anerkennt, dass sie nicht alles sich selbst zu verdanken hat.

Das ist bescheiden.

Dabei verharrt sie aber nicht in schiefer Haltung falscher Demut.

Denn andererseits: Zugleich anerkennt sie, dass da wahrhaft Großes in ihr ist.

Sie erzählt von dem, was an ihr toll ist.

Und ist zugleich dankbar dafür.

Das ist eine Gratwanderung, die nur Wenige hinbekommen.

Ich zum Beispiel: Entweder falle ich auf der Hochmutseite runter oder auf der Demutseite.

Nicht gut.

Das Gute dabei ist aber: Meiner Würde tut das keinen Abbruch.

Ich kann sogar gänzlich würdelos agieren.

Trotzdem spricht mir das Grundgesetz Würde zu, ganz egal, was ich dazu sage.

Ein bisschen wie der liebe Gott: Hört einfach nicht auf, Großes an mir zu tun.

Danke dafür.

Menschen - anders als Schilf.
Waren / Müritz, 2016.


1   Denn ein metaphysisches Konstrukt wie Würde ist schwer mit einem bloß biologisch verstandenen Wesen in Verbindung zu bringen.