Samstag, 4. Mai 2019

Jesus lieben. Überforderung oder Einladung?

Wie oft hat mich diese Frage überfordert!

"Liebst du mich mehr als diese?" (Joh 21,15)

Wann immer ich in der Vergangenheit bei Schriftbetrachtungen oder Exerzitien mit dieser Frage Jesu an Petrus aus dem heutigen Sonntagsevangelium (Joh 21,1-19) konfrontiert war, fühlte ich mich in der Pflicht. Damals, als Seminarist oder Ordensmann, hatte ich das Bedürfnis, ebenso wie Petrus antworten zu können. Und hinter dem Bedürfnis stand ein unausgesprochener Druck, genauso müsse es sein – wenn ich Jesus folgen will, dann muss ich auf die Frage nach der Liebe auch antworten können wie der Erste der Apostel: "Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe." (Joh 21,15)

Flammen in der Asche.
Schwante, 2018.
Sind zwei eine Liebesbeziehung eingegangen, dann kann diese Frage tödlich für die Partnerschaft sein – ständig will sich einer von beiden vergewissern, dass der andere noch innerlich dabei ist. Daraus scheint mir ängstliches Misstrauen zu sprechen, was nicht gerade die beste Grundlage für Liebe wäre.
Oder ist es gar keine Unsicherheit, die aus der Frage spricht, sondern soll dieses Gefrage ein Test sein? Das wäre ja noch schlimmer! Ich muss geprüft werden, ob ich wirklich würdig bin? Ist das die Basis der Beziehung?
Was es auch ist: Für den Gefragten stellt sich bei solch einer Befragung kein gutes Gefühl ein.

Vielleicht kommt auch aus diesem unbewussten Hintergrund mein damaliges Gefühl der Überforderung, das ich mir nur ungern eingestehen wollte.

Wie wäre die Frage Jesu nun zu retten?

Beim Blick auf Petrus, den Einzigen, der sich aus der Lethargie der nachösterlichen Depression reißt und wieder fischen geht (v3), auf denjenigen, der sofort ins Wasser springt, als er endlich merkt, dass Hoffnung auf einen Neuanfang besteht (v7), auf ihn, der das zum Bersten gefüllte Netz an Land ziehen kann (v11), beim Blick auf diesen Petrus klärt sich einiges.
Jesus fragt seinen besten Mann: Petrus hat viel Einsatz gezeigt und ist ein engagierter Anpacker.

Dass Jesus gerade ihn trotzdem fragt, zeigt doch, dass es um mehr als um Engagement geht.
Jesus sagt quasi: Deines Einsatzes bin ich mir schon sicher, den hast du oft genug gezeigt. Aber ich will nicht nur deinen Einsatz, sondern dein Herz. Denn auf dem Einsatz kann man sich leichter ausruhen, als es von außen aussieht. Auch wer Pfarrer oder Ordensschwester werden will (oder ist), kann mit äußerem Einsatz viel überspielen, wo innerlich längst alles ausgebrannt ist.

Insofern ist die Frage auch als eine kritische Selbstvergewisserung zu sehen: Bin ich wirklich noch aus dem richtigen Grund dabei? Nicht für mich und mein Ego, sondern für ihn? Bin ich an der Beziehung interessiert oder an meinem Status?
Und weil wir uns bei dieser Frage schneller in die Tasche lügen als wir zugeben wollen (oder auch nur merken!), fragt Jesus lieber mehrmals.

Insofern geht es nicht um den Druck, die richtige Intensität im Glauben zu haben (wie es manche freikirchlich geprägte Spiritualität insinuiert), sondern dann wäre der Hintergrund der Frage die nach der grundsätzlichen Ausrichtung meines christlichen Lebens. Und das christliche Leben besteht im Kern nicht im Abhaken von Listen oder im Festhalten an Richtigkeiten, sondern in einer Beziehung.

Heute kann ich die Frage auch als Wertschätzung verstehen. 
Denn Jesus zeigt durch seine Fragen auch: Du bist mir wichtig. Es ist egal, ob du manchmal etwas Hilfe brauchst, bis du merkst, was los ist (v7). Es ist egal, wenn du nicht immer durchhältst (vgl. Joh 18,17-27).
Zu dir bin ich jetzt gekommen. 
Genau dich will ich nahe bei mir haben. 
Sei dabei!

Auch du gehörst dazu!
Niedergrunstedt, 2017.