Manchmal erlebe ich unter muslimischen
Inhaftierten Diskussionen dieser Art: Wann ist jemand ein echter Muslim? Wenn er kein Schweinefleisch isst? Wenn er fünfmal am Tag
betet? Wenn er im Ramadan fastet? Wenn er den Koran wörtlich
versteht?
Schatten und Licht erkennen. Bahnhof Ostkreuz, Berlin, 2019. |
Insofern ich in solche Fragen
involviert werde, bin ich versucht zu sagen, dass es doch sehr schwer
ist, an solchen äußeren Kennzeichen die Zugehörigkeit zu einer
Gruppe festzumachen. Denn all diese äußeren Zeichen zielen doch
aufs Innere – auf die Beziehung des Einzelnen zu Allah, auf die
Hingabe des Herzens. Und wer kann schon ins Herz sehen und dort die
innere Beziehung zu Gott anschauen?
Jedenfalls ist es für mich als
Christen naheliegend, so zu denken. Zugleich weiß ich aber, dass es
auch andere Vorstellungen gibt und dass auch wir Christen oft dazu
neigen, äußere Merkmale zur Grundlage für die Entscheidung über
die Gruppenzugehörigkeit zu machen.
Aber gelegentlich habe ich auch schon
mal gedacht, dass wir Christen es da leichter haben.
Denn Jesus nennt im Evangelium
des Sonntags ein einziges Erkennungszeichen für die Christen:
„Ein neues Gebot gebe ich euch:
Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander
lieben.
Daran werden alle erkennen, dass ihr
meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,34f)
Das hauptsächliche
Unterscheidungskriterium für uns Christen ist kein kultischer
Vollzug, kein Glaubensbekenntnis, keine Speisevorschrift und kein
Kirchensteuerbescheid.
Es ist gegenseitige Liebe – so viel
lebensnäher, praktischer, nachprüfbarer.
Das macht die Sache wirklich leichter,
weil eindeutiger.
Aber zugleich unendlich
viel schwerer. Denn wenn Christen immer dann als solche erkennbar
sind, wenn sie einander lieben, dann kann man sie wohl fast niemals
als Christen erkennen.
Selbstkritisch kann man darum
konstatieren: Vielleicht werden aus diesem Grund viele andere
Kennzeichen gesucht, die ablenken vom Versagen auf dem grundlegenden
Gebiet.
Es lässt sich aber auch positiv
formulieren: Durch das Miteinander der Christen, das nach außen
sichtbar ist, wird erkennbar, was sie im Herzen haben.
Hier nämlich verbindet sich das Innen mit dem Außen, das Herz mit dem Tun.
Und ein Zweites lässt sich sagen: Ist
das nicht ein wundervoller Ansporn? So sinnerfüllt sind nur wenige
religiöse Erkennungsmarker:
Gott will, dass wir barmherzig und
liebevoll sind wie er. Seine Liebe hat uns erlöst. Wir müssen nur
hineinschwingen und mitlieben.
Erlöst am Ostkreuz. Berlin, 2018. |