Man kann ja von Johannes Paul II.
halten, was man mag, aber er ist auf jeden Fall einer, der
Grundsätzliches gern geklärt hatte. Ob man den Papst, der in diesem
Jahr heiliggesprochen wurde, nun als Wegbereiter für den
Zusammenbruch des Kommunismus sieht, als Parteigänger eines
antiquierten Familienbildes, als mobilstmöglichen Reisepapst oder
als einen, der nicht Kraft und Lust hatte, den sexuellen Missbrauch
in der Kirchenhierarchie aufzudecken und zu ahnden, durchgängig ist
für ihn doch sein Einsatz für den Menschen, wie er ihn verstand, in
all seinen politischen, sozialen und seelischen Bezügen.
Am Beginn seines Pontifikates legte er
zum 04. März 1979 seine erste Enzyklika mit dem Titel "Redemptor
Hominis" – "Erlöser des Menschen" vor. Vom Erlöser
des Menschen, von Jesus Christus aus entwickelt sich das Menschen-
und Weltbild des ehemaligen Lubliner Moraltheologen. Christus ist als
der menschgewordene Gott "in einzigartiger und
unwiederholbarer Weise in das Geheimnis des Menschen eingedrungen und
in sein 'Herz' eingetreten."1
Aus dieser innigen Verbindung ergeben
sich alle folgenden Überlegungen zu Armut und Reichtum, zu den
Menschenrechten, zu Arbeit und Technik, zur Kirche und ihrer Mission,
zur Ethik und vielen anderen Fragen, die schon in dieser ersten
Enzyklika angesprochen werden (dreizehn weitere Enzykliken folgen
dann zu den verschiedensten dieser Themenkreise).
Unser heiliger Professor. Katholische Universität Lublin, 2014. |
Darum sieht der damals neue Papst es
als Aufgabe der Kirche an, "den Blick des Menschen, das
Bewusstsein und die Erfahrung der ganzen Menschheit auf das Geheimnis
Christi zu lenken und auszurichten, allen Menschen zu helfen, mit dem
tiefen Geheimnis der Erlösung, die sich in Jesus Christus ereignet,
vertraut zu werden."2
Damit einher geht der "Kampf um
jene Würde, die jeder Mensch in Christus erreicht hat und beständig
erreichen kann. Es ist die Würde der gnadenhaften Gotteskindschaft"3
aus der Verbindung mit Jesus Christus.
Die tiefste Würde des Menschen liegt
für den Papst also nicht in seinem bloßen Vorhandensein, seinem
Bewusstsein, seiner Vernünftigkeit oder sonstigen Begabungen,
sondern in der geschenkten Annahme durch Gott, der "gnadenhaften
Gotteskindschaft", die aus der Taufe und dem Glauben ein Kind
Gottes aus Menschen machen kann, die in solcher Weise Gemeinschaft
mit Gott suchen.
Von dieser Basis aus befragt der
Neugewählte dann die menschlichen Gegebenheiten und das menschliche
Tun. Besonders eindrücklich ist die immer noch aktuelle Frage nach
den Möglichkeiten und Grenzen des technischen Fortschritts: "Macht
dieser Fortschritt [...] das menschliche Leben auf dieser Erde
wirklich in jeder Hinsicht 'menschlicher'? Macht er das Leben
'menschenwürdiger'?"4
Natürlich lassen sich diese riesigen
Fragen in einer ambivalenten Welt nicht eindeutig beantworten, sie
können aber als Kriterium technischen Fortschritts dienen.
Genauerhin heißt das für den Papst: "Wird der Mensch als
Mensch im Zusammenhang mit diesem Fortschritt wirklich besser, das
heißt geistig reifer, bewusster in seiner Menschenwürde,
verantwortungsvoller, offener für den Mitmenschen, vor allem für
die Hilfsbedürftigen und Schwachen, und hilfsbereiter zu allen?"
Und noch weiter: Macht der Mensch "wirklich Fortschritte oder
fällt er zurück und sinkt in seiner Menschlichkeit nach unten?"5
Wenn es diese (und viele weitere)
Fragen sind, die Johannes Paul II. beschäftigt haben, dann ist es
nur konsequent, wenn er die Kirche in der politischen und
sozialethischen Verantwortung sieht, dem Menschen in seiner Reflexion
und seinem Tun beizustehen. Der konkrete Mensch in all seinen
Bezügen: er ist der
"erste und grundlegende Weg der Kirche"6.
Was also von Papst Franziskus erhofft
und erwartet wird – Johannes Paul II. hatte es zu Beginn seines
langen und ereignisreichen Pontifikates schon formuliert.
Der Mensch auf dem Weg. Heerstraße, Berlin, 2014. |
1 Johannes
Paul II., Enzyklika "Redemptor Hominis" zum Beginn seines
päpstlichen Amtes. Bonn 1979. Hg. v. Sekretariat d. Deutschen
Bischofskonferenz (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles Nr. 6),
Nr. 8.
2 Ebd.,
10.
3 Ebd.,
11.
4 Ebd.,
15.
5 Ebd.
6 Ebd.,
14.