Donnerstag, 26. März 2020

Wie sieht Nähe in der Krise aus?

Viele gute Sachen kommen in einer Krise zum Vorschein. Dazu gehört auch, dass eine Menge Hilfsangebote an Nachbarn oder Bedürftige gemacht werden, das Übernehmen von Einkäufen oder die Berliner Gabenzäune beispielsweise.
Durch solche Aktionen entsteht eine neue Nähe zu Menschen, die sonst unter die Räder kommen könnten. Nachbarn, die sonst nicht mehr als einen Gruß miteinander wechseln, können sich Hilfsangebote machen. Online-Tutorials können neue Horizonte aufschließen.

Und das alles, während es auf den Straßen und Plätzen des Landes (und in vielen anderen Regionen weltweit) weitgehende Kontaktverbote gibt. Physische Nähe fällt aus – mentale Nähe kann entstehen.

Beim heutigen Spaziergang im Wald stand mir plötzlich dieser Satz vor Augen:
Jesus im Wald.
Plänterwald, Berlin, 2020.
"Jesus is closer than Corona."

Es ist ein Spiel mit Worten zu den unterschiedlichen Dimensionen von Nähe – die physische Nähe, die sich ein Virus in einem menschlichen Körper schafft, ist etwas fundamental anderes als die geistliche Nähe, die wir von Jesus erhoffen. Es sind unterschiedliche Ebenen, die auch unterschiedliche Bereiche meines Lebens ansprechen. Hygiene hier – Religion dort.
(Doch auch wenn ich ich als religiöser Mensch definiere und auf die geistliche Nähe zu Jesus vertraue, sollte ich zum Schutz vor dem Virus derzeit die physische Nähe zu anderen Menschen meiden.)
Zugleich kann der Satz auch das Vertrauen auf Gottes nahe Kraft in Jesus Christus ausdrücken.

Das Thema der fehlenden Nähe kommt aktuell auch in den Diskussionen um die im Netz (und anderswo) übertragenen Eucharistiefeiern zur Sprache. Weil die Gläubigen nicht physisch an den Gottesdiensten teilnehmen dürfen, sollen sie Gottes Nähe immerhin durch die mediale Übertragung erfahren können.
Doch ist das überhaupt möglich?
Hier gehen die Meinungen weit auseinander, (außerdem ist der Aspekt der Nähe für die einzelnen Theologen nicht immer der springende Punkt).
Jesus ist nahe.
Plänterwald, Berlin, 2020.
Ich persönlich kann Jozef Niewiadomski sehr gut verstehen, der die Internet-Gottesdienste nicht als die praktischste Lösung ansieht, "weil mediale Präsenz im Dienste der Entleiblichung der Kommunikation steht. Im Extremfall bleibt man bei medialen Events mit allen und doch mit niemandem in Verbindung."

Die virtuelle Nähe, so lese ich das, generiert u.U. nur bedingt eine geistliche Nähe. Denn wir Menschen leben vom leiblichen Kontakt; nicht umsonst ist Gott ein anfassbarer Mensch geworden. Und gerade um diese leibliche Nähe geht es auch in der Eucharistie. Jesus schenkt sich im Brot. Das Wort wird Fleisch in den eucharistischen Gaben. Das ist vor dem Bildschirm etwas grundlegend anderes als in der Versammlung im Kirchenraum.
Die Corona-Krise ist darum auch eine Krise der eucharistisch verfassten Kirche.

Hier muss um gute Lösungen gerungen werden.
Der Vorschlag von Jozef Niewiadomski lautet, die reale Eucharistie wie eine Krankenkommunion in die Häuser zu holen.

Dann bliebe Jesus auch im tiefsten Sinne leiblich nahe in einer Zeit sonstiger physischer Distanz. Er könnte uns in solchen Hausgottesdiensten näher kommen als sonst. So würde die Corona-Krise die Chance bieten, den Jesus, den wir nicht sehen können, anders und tiefer in unserem Alltag zu begrüßen.
Jesus-Nähe durch Corona-Krise!

Dann könnte man sogar schreiben:

"Jesus ist closer through Corona."

Das gilt übrigens auch für die oben genannten (oft nicht religiös motivierten) Hilfsangebote – auch in ihnen wird eine Form der Liebe sichtbar, oder sogar der Gott, der die Liebe ist.
Jesus ist näher als Corona.
Plänterwald, Berlin, 2020.

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