Freitag, 20. Dezember 2013

Brot und Glanz 2 - Die sakramentale Inkarnation

In der kirchlichen Liturgie wird immerzu Advent gefeiert. Auf die Ankunft Jesu jedenfalls verweist eine Reihe von liturgischen Texten.
Tabernakel, St. Clara, Nürnberg, 2012.

1
Die Feiernden singen im Sanctus: „Hochgelobt ist der, der kommt im Namen des Herrn.“
In Anlehnung an Ps 118,26 nimmt das Neue Testament diesen Ruf auf, wenn Jesus in Jerusalem einzieht und die Menschen ihm huldigend zurufen (vgl. Mt 21,9).
Die Liturgie wiederum bezieht sich damit zuvörderst auf Christus, der nun in der Eucharistie kommen wird. Das Sanctus bereitet die Singenden vor auf die heiligen Handlungen, die folgen und stimmt ein auf das Stehen im Angesicht der Engel und Heiligen.

2
Doch auch die Eucharistie ist ausgestreckt nach der vollendeten Fülle des herrlichen Kommens Christi am Ende der Zeit. Selbst in der Gegenwart des eucharistischen Christus streckt sich die Kirche nach ihm aus.
Denn nach der Wandlung sprechen die Feiernden als Geheimnis ihres Glaubens: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit.“
Das Ankommen Gottes in der Eucharistie, dieses Kommen, das den Gläubigen durch Tod und Auferstehung zugesichert wird, feiert die Kirche, solange seine Herrlichkeit die Gläubigen noch nicht gänzlich erfüllt hat, solange sie noch nicht ganz in seiner Herrlichkeit angekommen sind.
Oder vielleicht besser: solange wir Menschen noch nicht deckungsgleich mit seiner Herrlichkeit sind, solange wir nicht seine Herrlichkeit sind – bis dahin muss seine Hingabe an die Welt verkündet und gefeiert werden.
Denn erst dann ist er ganz angekommen, erst dann ist Gott wirklich ganz bei uns.

Bruder-Klaus-Feldkapelle von Peter Zumthor, Wachendorf, 2013.
3
Schließlich das Tischgebet vor dem Empfang der Gaben: „Dein Reich komme“ betet die Feiergemeinde im Vaterunser, „adveniat regnum tuum“ spricht der fromme Lateiner, „dein Reich schon im Kommen“ dichtet Huub Oosterhuis.1
Trotz angebrochenem und kommendem Reich brauchen die Beter dabei doch das „tägliche Brot“, um das anschließend gebetet wird.

4
Im Fleischwerdungsgeschehen der eucharistischen Wandlung schließlich geschieht in jeder Eucharistiefeier ein kleines Weihnachten. Gottes Wort kommt in die Welt und wohnt unter den Menschen. Das bezeugt auch die „Brotrede“ des Johannesevangeliums, „wo die Eucharistie als sakramentale Verlängerung und Vergegenwärtigung der Inkarnation erscheint.“2
Die Theologie vieler griechischer (und lateinischer) Kirchenväter hat in erster Linie daraus geschöpft, dass Gottes Bewegung und Tun in Inkarnation und Eucharistie analog sind.
Kurz: Gott wird Fleisch.

Seine stets gegenwärtige Ankunft ist es, die in jeder Eucharistiefeier jubilierend gefeiert werden kann.


1 Vgl. Huub Oosterhuis, Ich steh vor dir. Meditationen, Gebete und Lieder. Freiburg i.Br. 2004, 118.


2 M. Figura, Eucharistie als sakramentale Inkarnation. In: IKaZ 1/2003, 43-58, hier: 46. Ebd.ff auch Beispiele zum Folgenden.