In jeder Eucharistiefeier steht vor dem
Empfang der eucharistischen Gaben die Formel: "Herr ich bin
nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein
Wort, so wird meine Seele gesund."
Das ist einerseits ein liturgischer
Text, der zum gewohnten Ablauf gehört. Zum anderen ist der Inhalt so
persönlich, dass ich ihn sehr achtsam spreche – besonders mit
Blick auf Weihnachten.
Da scheinen vor allem Ehrfurcht und Vertrauen mitzuklingen,
aber auch das Gefühl des eigenen Geringseins.1
Der
gottesdienstliche Zungenschlag dabei irritiert mich oft. Nach dem ersten
Halbsatz wird in allen mir bekannten Gottesdienstgemeinschaften eine
Atempause gemacht, die einer Bedeutungsverschiebung gleich kommt:
"Herr, ich bin nicht würdig."
Bauarbeiter auf Tisch, Waidmannslust, Berlin, 2013. |
Unwürdigkeit als religiöses Motiv hat
eine lange, auch schwierige Tradition. Tatsächlich können wir
theologisch ja von der verlorenen Würde des Menschen, seiner
gefallenen Natur und dem sündigen Getrenntsein von Gott sprechen.
Angesichts der Menschwerdung Gottes
will ich dann aber energisch sagen:
Nein! Gott hat uns würdig gemacht!
Er ist selber Mensch geworden. Er hat sich herabgebeugt und uns erhoben.
Nein! Gott hat uns würdig gemacht!
Er ist selber Mensch geworden. Er hat sich herabgebeugt und uns erhoben.
Nicht nur die Getauften haben eine neue
Würde (die der Gotteskindschaft) erhalten – sondern alle Menschen.
In der weihnachtlichen Tat Gottes ist der Mensch, ja ist die ganze
Welt erneuert worden.
Abgang, Alte Nationalgalerie, Berlin, 2013. |
Gott ist inkarniert, ein
eingefleischter Weltgeist.
Um es mit Alfred Delps berühmten
Sätzen zu sagen:
"Die
Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er
gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den
schönen und in den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht
durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen.
Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend. In allem will
Gott Begegnung feiern".2
Ich glaube, dass Gottes "Brunnenpunkt" seine Geburt im Stall ist. Durch seine Hingabe, sein Geborenwerden als
Mensch beschenkt er uns mit würdevoller Freiheit. Ohne Atempause.
1
Der biblische Bezug ist Mt 8,8: "Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst,
sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund."
(Luther 1984)
In den Worten des römischen Hauptmanns, also des heidnischen Besatzers, der für seinen Sklaven bittet, schwingt vor allem das Bewusstsein der religiösen Distanz mit, das Wissen um die religiösen Bedingtheiten, die es einem observanten Juden nicht gestattet hätten, ein heidnisches Haus zu betreten. 2 A. Delp, Brief an Luise Oesterreicher vom 17.11.1944. In: Kassiber. Aus der Haftanstalt Berlin-Tegel. Frankfurt a.M. 1987, 14.
In den Worten des römischen Hauptmanns, also des heidnischen Besatzers, der für seinen Sklaven bittet, schwingt vor allem das Bewusstsein der religiösen Distanz mit, das Wissen um die religiösen Bedingtheiten, die es einem observanten Juden nicht gestattet hätten, ein heidnisches Haus zu betreten. 2 A. Delp, Brief an Luise Oesterreicher vom 17.11.1944. In: Kassiber. Aus der Haftanstalt Berlin-Tegel. Frankfurt a.M. 1987, 14.