Ich freue mich oft an den
kreativen Textern von Adventsliedern der vergangenen Jahrhunderte. Mein Favorit ist
dabei Friedrich Spees wortgewaltiger Klassiker "O Heiland reiß
die Himmel auf", besonders die ersten drei Strophen:
Baum vor Haus, Tel Aviv, 2013. |
O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf;
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
herab, herab vom Himmel lauf;
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
O Gott, ein' Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
O Erd, schlag aus, schlag aus, o
Erd,
daß Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.
daß Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.
(1622)1
Lauter starke Imperative durchziehen
den Text: reiß, lauf, gieß, fließ, schlag, brecht, spring!
Es ist ein Feuerwerk an Dynamik von
oben und unten, ein Öffnen und Schütten, ein Wachsen und Rauschen,
frühlingshaft-lebendige Vitalität spritzt und quillt aus allen
Worten.
Während Gott in der ersten Strophe
vorbereitend zur Öffnung aller Schleusen aufgerufen wird, soll in
der zweiten der göttliche Tau von oben für einen guten König
sorgen und in der dritten die Erde das ihre tun. Es gipfelt im Ruf an
Christus, er möge nun doch "aus der Erden spring[en]".
Die adventliche Dynamik hat doppelten
Beginn – im Oben wird bereitet und herabgegeben, im Unten kann
wachsen und erdhaft hervorgehen. Der gottmenschliche Charakter Jesu
kommt auf diese Weise schön zum Ausdruck – Gottes Wille und
Sendung einerseits und Marias Ja und eine ganz menschliche Geburt
andererseits sind es, die Weihnachten ausmachen.
Und in allem die drängende Stimme des
Menschen, dass es nur bald geschehe, dass Gott sich neu zu uns auf
den Weg mache, dass er uns nahe sei, "dass Berg und Tal grün
alles werd". Wo Gott hintritt, da beginnt das Gras zu wachsen,
da blüht Leben auf, da wird im Dunkeln alles hell und eine
Verbindung zwischen Himmel und Erde wächst von oben und von unten.
Das weihnachtliche Jauchzen und
Frohlocken lässt sich kaum noch zurückhalten...
1 Rechte
beim Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart;
weitere Strophen z.B. hier: http://www.liederdatenbank.de/song/1441