Sonntag, 29. März 2020

Lasst euch nicht anstecken! Sonntag im Gefängnis

1.
Heute war ich das erste Mal nach meiner Quarantäne wieder im Gefängnis. Gottesdienste dürfen zwar aktuell nicht stattfinden, aber mit den Inhaftierten, mit denen ich regelmäßig im Kontakt bin, wollte ich doch ein paar persönliche Worte wechseln. Und natürlich einen kleinen Gruß aus dem Evangelium vorbeibringen, natürlich einzeln und unter Einhaltung der derzeitigen Regeln.

Mein Eindruck: Abstand halten ist auf den Fluren der Hafthäuser sehr schwierig, denn während der Aufschlusszeiten sind alle unterwegs, um zu duschen, zu kochen, sich zu unterhalten, an den öffentlichen Apparaten zu telefonieren oder Dinge zu tauschen. Auch das Gespür für die Sinnhaftigkeit der Abstandsregeln schien mir wenig ausgeprägt, bisweilen ist es hier auch schon schwer, grundlegende hygienische Standards einzuhalten – wie soll man dann erst mit den erweiterten Regeln umgehen...

Verschachtelt.
Malteser, Charlottenburg, Berlin, 2019.
Insgesamt herrschte eine Stimmung zwischen Hoffnung – Vielleicht werden jetzt bald alle die entlassen, die nur noch wenige Monate abzusitzen haben! – und Panik – Was wird mit uns passieren, wenn es hier einen ersten Infizierten gibt? – , denn auch dort sorgen sich viele, die mit chronischen Krankheiten zu tun haben oder wegen ihres Alters zur Risikogruppe gehören, was als nächstes passiert.
Ob die Gesellschaft (in Gestalt des Justizvollzugs) solidarisch mit den Inhaftierten sein wird und ihnen die optimale Versorgung zukommen lässt. Die bisherigen Erfahrungen mit dem anstaltsinternen Gesundheitssystem lassen da wenig Hoffnung aufkommen.
Was mich erstaunt hat, war, dass die meisten zwar in Sorge um ihre Familien sind und die Aussetzung der Besuche schade finden, aber zugleich froh sind, wenn ihre Familie keine extra Gefahr eingeht, indem sie sich in die JVA aufmacht.

Neben vielen kleinen Hallos, dem Aufräumen mit dem um sich greifenden Gerücht, ich sei schon erkrankt und einigen Versprechen, bald wieder zu kommen, habe ich auch die Botschaft des Sonntagsevangeliums weitergegeben.

2.
Neben einem Gebet von Johannes Hartl hatte mein Impuls folgenden Inhalt:

Leider können wir in diesen Wochen keine Gottesdienste in der JVA Plötzensee feiern. Auf diese Weise soll die Ansteckungsgefahr verringert werden.
Dennoch können wir im Gebet miteinander verbunden bleiben.
Ich lade Sie ein, sich am Sonntag einen Moment Zeit zu nehmen und mit Gott ins Gespräch zu kommen. Oder auch einfach nur vor Gott zu schweigen.

Vielleicht hilft Ihnen auch folgender Gedanke zum Evangelium des Sonntags (Joh 11,1-45):

Nachdem Lazarus gestorben ist, kommt Jesus zu seinen Schwestern. Alle sind traurig und bestürzt, weil Lazarus tot ist, manche sind aber auch ärgerlich auf Jesus, weil er nicht da war. Jesus trauert mit ihnen.
Dann geht er zu dem Loch im Felsen, in dem das Grab ist, und sagt:

"Lazarus, komm heraus!" (Joh 11,43)

Jesus lässt sich nicht anstecken von Ärger, von Panik, von der Hoffnungslosigkeit. Jesus macht auch nicht mit beim Meckern.
Stattdessen ruft er Lazarus ins Leben.

Auch wir können aufpassen, dass wir uns nicht mit negativen Gefühlen anstecken. (Und auch nicht mit einem Virus!)
Wir haben zwar nicht den Glauben und nicht die Kraft Jesu. Aber auch wir können einander helfen, herauszukommen aus unseren toten Löchern, in die wir uns nur zu oft verkriechen. Es sind die Löcher der Angst. Die Löcher des Ärgers. Die Löcher der Panik. Die Löcher der Einsamkeit.
Jesus ermutigt uns, dass wir einander aus diesen Löchern ins Leben rufen.
Das ist der Anfang der Auferstehung.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!

Anfang der Auferstehung.
Spargelfelder in der Prignitz, 2018.

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