1.
Heute war ich das erste Mal nach meiner
Quarantäne wieder im Gefängnis. Gottesdienste dürfen zwar aktuell
nicht stattfinden, aber mit den Inhaftierten, mit denen ich
regelmäßig im Kontakt bin, wollte ich doch ein paar persönliche
Worte wechseln. Und natürlich einen kleinen Gruß aus dem Evangelium
vorbeibringen, natürlich einzeln und unter Einhaltung der
derzeitigen Regeln.
Mein Eindruck: Abstand halten ist auf
den Fluren der Hafthäuser sehr schwierig, denn während der
Aufschlusszeiten sind alle unterwegs, um zu duschen, zu kochen, sich
zu unterhalten, an den öffentlichen Apparaten zu telefonieren oder
Dinge zu tauschen. Auch das Gespür für die Sinnhaftigkeit der
Abstandsregeln schien mir wenig ausgeprägt, bisweilen ist es hier
auch schon schwer, grundlegende hygienische Standards einzuhalten –
wie soll man dann erst mit den erweiterten Regeln umgehen...
Verschachtelt. Malteser, Charlottenburg, Berlin, 2019. |
Insgesamt herrschte eine Stimmung
zwischen Hoffnung – Vielleicht werden jetzt bald alle die
entlassen, die nur noch wenige Monate abzusitzen haben! – und
Panik – Was wird mit uns passieren, wenn es hier einen ersten
Infizierten gibt? – , denn auch dort sorgen sich viele, die mit
chronischen Krankheiten zu tun haben oder wegen ihres Alters zur
Risikogruppe gehören, was als nächstes passiert.
Ob die Gesellschaft (in Gestalt des
Justizvollzugs) solidarisch mit den Inhaftierten sein wird und ihnen
die optimale Versorgung zukommen lässt. Die bisherigen Erfahrungen
mit dem anstaltsinternen Gesundheitssystem lassen da wenig Hoffnung
aufkommen.
Was mich erstaunt hat, war, dass die
meisten zwar in Sorge um ihre Familien sind und die Aussetzung der
Besuche schade finden, aber zugleich froh sind, wenn ihre Familie
keine extra Gefahr eingeht, indem sie sich in die JVA aufmacht.
Neben vielen kleinen Hallos, dem
Aufräumen mit dem um sich greifenden Gerücht, ich sei schon
erkrankt und einigen Versprechen, bald wieder zu kommen, habe ich
auch die Botschaft des Sonntagsevangeliums weitergegeben.
2.
Neben einem Gebet
von Johannes Hartl hatte mein Impuls folgenden Inhalt:
Leider können wir in diesen Wochen
keine Gottesdienste in der JVA Plötzensee feiern. Auf diese Weise
soll die Ansteckungsgefahr verringert werden.
Dennoch können wir im Gebet
miteinander verbunden bleiben.
Ich lade Sie ein, sich am Sonntag
einen Moment Zeit zu nehmen und mit Gott ins Gespräch zu kommen.
Oder auch einfach nur vor Gott zu schweigen.
Vielleicht hilft Ihnen auch
folgender Gedanke zum Evangelium des Sonntags (Joh 11,1-45):
Nachdem Lazarus gestorben ist, kommt
Jesus zu seinen Schwestern. Alle sind traurig und bestürzt, weil
Lazarus tot ist, manche sind aber auch ärgerlich auf Jesus, weil er
nicht da war. Jesus trauert mit ihnen.
Dann geht er zu dem Loch im Felsen,
in dem das Grab ist, und sagt:
"Lazarus, komm
heraus!" (Joh 11,43)
Jesus lässt sich nicht anstecken
von Ärger, von Panik, von der Hoffnungslosigkeit. Jesus macht auch
nicht mit beim Meckern.
Stattdessen ruft er Lazarus ins
Leben.
Auch wir können aufpassen, dass wir
uns nicht mit negativen Gefühlen anstecken. (Und auch nicht mit
einem Virus!)
Wir haben zwar nicht den Glauben und
nicht die Kraft Jesu. Aber auch wir können einander helfen,
herauszukommen aus unseren toten Löchern, in die wir uns nur zu oft
verkriechen. Es sind die Löcher der Angst. Die Löcher des Ärgers.
Die Löcher der Panik. Die Löcher der Einsamkeit.
Jesus ermutigt uns, dass wir
einander aus diesen Löchern ins Leben rufen.
Das ist der Anfang der Auferstehung.
Ich wünsche Ihnen einen schönen
Sonntag!
Anfang der Auferstehung. Spargelfelder in der Prignitz, 2018. |
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