Mittwoch, 8. August 2018

Wo Liturgie und Widerstand sich treffen. Notizen

Die Feier der Liturgie schafft einen fragilen Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch.

Damit dieser Raum entstehen kann, müssen die Versammelten von sich selbst absehen können und Gott suchen. Hinaustreten aus der eigenen Lebenswirklichkeit und tastend eintreten in die Sphäre des Himmels. Denn im Mittelpunkt dieses liturgischen Begegnungsraumes stehen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern Gottes Lobpreis. Alles Weitere tritt erst später dazu.

Liturgische Versammlung des Himmels.
St. Richard, Neukölln, Berlin, 2018.
Trotzdem – oder vielmehr gerade deswegen – kann es in der Liturgie zur Verwandlung der Feiernden kommen. Denn das Lob Gottes reißt sie heraus aus dem Kreisen um sich selbst und öffnet sie auf ihn hin.

Wer will, kann das auf nebenstehend abgebildetem Fresko aus der Kirche St. Richard in Neukölln sehen: Bei normalem Tageslicht ist die im Halbkreis versammelt abgebildete Gemeinde nicht mehr mit Gesicht sichtbar. Die Feiernden sind im Bilde aus sich heraus und Gott entgegen gegangen.

Für die Widerständler gegen das Dritte Reich, von denen Peter Graf Yorck von Wartenburg, Erwin von Witzleben und andere am 08. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurden, galt es ebenso, aus sich herauszugehen und in ein Ungewisses einzutreten.
Ihr eigenes Wohl hatten sie zurückgestellt, dafür standen sie auf gegen die Barbarei des Nationalsozialismus, die sie aus den unterschiedlichsten Gründen bekämpften.
Wie so viele Gegner haben sie ihre abweichende Haltung mit dem Leben bezahlt.

Ich hoffe, dass Gott auch ihnen in der Feier der himmlischen Herrlichkeit aus den versammelten Heiligen entgegentritt, so wie es auf dem Fresko am oberen Bildrand zu sehen ist. Er zeigt sich, so dass sein Antlitz ebenso sichtbar wird, wie das verwundete Lamm, um das alle versammelt sind (vgl. Off 4-5).

Nicht immer werden wir das in unseren liturgischen Feiern spüren, selbst wenn wir es schaffen, uns selbst weit hinter uns zu lassen. Und oft wird uns das gar nicht gelingen.
Aber vielleicht erkennen wir bisweilen einen vagen Umriss von der göttlichen Güte. Schon eine Ahnung davon kann unser Leben verändern.