Dass die Geschichte der beiden
Emmausjünger (Lk 24,13-35) die urchristliche Gemeinde für die
Gegenwart Christi in der eucharistischen Feier sensibilisieren
sollte, dürfte nachvollziehbar oder bekannt sein. Die Jünger, die
Jesus beim Brotbrechen erkennen (v35), stehen für alle Christen, die
sich zu dieser Feier versammeln; auch die heutigen Christen können
dieses Offenhalten für die Gegenwart Gottes unter sich aus dem Text mitnehmen.
Aber wenn man die Geschichte genauer
liest, lässt sich in ihrer Komposition außerdem der Ablauf
eines typischen Gottesdienstes erkennen.
Gottesbegegnungsbusch kurz vor Entflammung. Comenius-Garten, Rixdorf, Berlin, 2015. |
Damit stehen sie im Raum des Kyrie,
beim Hinbringen ihrer Sorgen und Zweifel vor Gott. In der Liturgie
geschieht dies in der Hoffnung, dass Gott naht und seine
Erlösungsgeschichte mit den Feiernden weiterschreibt. Besonders
deutlich wird dies in der Liturgie der Ostkirche, wo die Ektenien mit
ihrem sich scheinbar endlos wiederholenden "Herr, erbarme Dich"
den Bittcharakter besonders deutlich machen. Die römische Liturgie
hat diese ausführlichen Anrufungen Gottes gekürzt, so dass es zum
bloß dreimaligen "Kyrie eleison" kam. Für die
Emmausjünger war es das Erzählen des Erlebten – ohne zu wissen,
dass es Jesus ist, tun sie dasselbe wie die Feiernden und holen
diesen fremden Jesus mit hinein in ihre Lebensprobleme, vorerst noch
ohne Bitten.
Es folgt die Verkündigung (vv25-27).
Ausgehend von einer Kernfrage der
christologischen Botschaft erläutert Jesus die in ihm gipfelnde
Heilsgeschichte: "Musste nicht der Messias all das erleiden,
um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?" (v26) Dazu führt
er an, "was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben
steht" (v27). Lesungen und Auslegungen als klassische
Bestandteile eines Gottesdienstes leisten so ihren Beitrag zur immer
aktuellen Frage nach dem Messias und seiner Herrlichkeit – eine
Frage, die das Herz entflammen kann (vgl. v32) und über die
alltäglichen Ärgernisse hinwegzutrösten vermag.
Auf diese Weise aufgeklärt und
gestärkt erreichen die Jünger "das Dorf, zu dem sie
unterwegs waren" (v28). Liturgisch: Der Wortgottesdienst
mündet in die Eucharistiefeier. Die Verkündigung wird im
gemeinsamen Mahl eingeholt und zur Vollendung gebracht. Denn die
Gegenwart Christi im Wort und die Gegenwart im Brot gehören zusammen
und ergänzen einander.1
Quelle des Lebens am Weg. St. Jakobi-Kirchhof, Rixdorf, Berlin, 2015. |
Jesus kommt mit und "als er mit
ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das
Brot und gab es ihnen" (v30). Den Jüngern gehen angesichts
dieser Geste wie in einem Flashback "die Augen auf und sie
erkannten ihn" (v31). Ob dies uns heute Eucharistie
Feiernden gelingt, sei dahingestellt, erhofft werden kann es allemal.
Nun macht alles einen Sinn – die
Fragen auf dem Weg, die Erläuterungen, die Bitten, die Gesten des
Fremden. Er ist nicht mehr fremd, sondern voller Dank für diese
Gegenwarten des Herrn erinnern sie sich ihres brennenden Herzens
(vgl. v32). Diesen möglichen Rückbezug auf die Verkündigung am
Ende der Eucharistie finde ich sehr schön, da sich hier der Kreis
auch einer liturgischen Feier schließen kann. Denn es gehört ja
alles zusammen.
Ist es bei den Emmausjüngern eher die
rückblickende Begeisterung, so kann in der liturgischen Feier
dankbar auf das Teilen von Brot und Gegenwart zurückgeschaut werden.
Der dankbaren Stille für diesen gegenwärtig-entzogenen Herrn ("dann
sahen sie ihn nicht mehr", v31) wird heute oft erstaunlich
wenig Raum gegeben.
"Noch in derselben Stunde
brachen sie auf" (v33) – und erzählen allen anderen von
ihrem Erlebnis mit dem Auferstandenen. Die Sendung am Ende der
Eucharistiefeier hat die gleiche Funktion. Wir sind zur Verkündigung
der Auferstehungserfahrung in unsere Lebenswirklichkeit gesandt,
damit wir beim nächsten Spaziergang schon froher mit dem
Auferstandenen in Dialog treten können und seine Gegenwart in Alltag und
Liturgie entdecken.
Weg am Landwehrkanal, Alt-Treptow, Berlin, 2015. |
1 Das
Konzil ergänzt die Weisen der Gegenwart in SC 7: " Gegenwärtig ist er im Opfer
der Messe sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst
vollzieht – denn »derselbe bringt das Opfer jetzt dar durch den
Dienst der Priester, der sich einst am Kreuz selbst dargebracht hat«
–, wie vor allem unter den eucharistischen Gestalten. Gegenwärtig
ist er mit seiner Kraft in den Sakramenten, so daß, wenn immer
einer tauft, Christus selber tauft. Gegenwärtig ist er in seinem
Wort, da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der
Kirche gelesen werden. Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die
Kirche betet und singt, er, der versprochen hat: »Wo zwei oder drei
versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt
18,20). In der Tat gesellt sich Christus in diesem großen Werk, in
dem Gott vollkommen verherrlicht und die Menschheit geheiligt
werden, immer wieder die Kirche zu, seine geliebte Braut."