Samstag, 6. Januar 2018

Warum meine Kinder nicht getauft sind. Ein Beitrag zum Fest der Taufe des Herrn

Es war das kirchenpolitische Aufregerthema der letzten Tage: In Berlin werden die Christen immer weniger. Nur noch 25% der Berliner gehören einer der beiden großen Kirchen an.
Ich gebe zu - auch ich bin mit schuld daran.
Denn auch meine Kinder sind nicht getauft.

Dazu ein paar Worte:
Ja, es hat auch damit zu tun, dass meine Frau nicht katholisch ist. Wahrscheinlich wären die Kinder einfach getauft worden, wenn es anders wäre.
Doch würde meine Frau selber es jetzt vorschlagen, wäre ich wahrscheinlich dagegen.
Denn es gibt eine Reihe theologischer Gründe gegen die Kindertaufe, die ich, je mehr ich mich mit ihnen beschäftige, immer überzeugender finde.

Kahler Baum neben St. Christophorus.
Neukölln, Berlin, 2015.
(Und ich möchte betonen, dass ich allein durch meinen Namen – Renatus ist „der in der Taufe Wiedergeborene“ – eine sehr große innere Anhänglichkeit an die Taufe habe und kaum im Verdacht einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber diesem Sakrament stehen kann.)

Die Taufe changiert seit dem Beginn des Christentums zwischen zwei Polen.

Da ist einerseits ihr Charakter als ein unverdientes Geschenk, als Gottes Gabe an uns. Historisch und politisch mögen noch viele weitere Momente hinzuzufügen sein, aber theologisch ist dies der wesentliche Grund für die Kindertaufe. Schon dem Unmündigen wird die Gotteskindschaft zugesagt. Und zwar ohne Bedingungen. Nur der Glaube der Eltern und Paten sowie ihr Versprechen, den Täufling im Glauben zu erziehen, sind gefragt. Der Täufling selbst hat nichts zu leisten.

Andererseits hat die Taufe den Charakter eines Entscheidungszeichens. Durch die Bitte um die Taufe bekundet eine Person ihren Willen, zur Gemeinde der Glaubenden dazuzugehören.
Dadurch werden der unvertretbare Charakter des persönlichen Glaubens und die individuelle Gottesbeziehung stärker hervorgehoben.
Ein Mündiger, der zu Christus gehören will, das war in den Anfängen der Kirche das Idealbild des Taufbewerbers.

Traditionell wird der erste Aspekt im katholischen Raum sehr schwer gewichtet, das Sakramentsgeschenk wirkt aus sich. Der zweite, auf Entscheidung basierte dagegen ist heute eher im freikirchlichen, namentlich baptistischen Raum zuhause.

Trotzdem möchte ich hier eine Lanze brechen für diese zweite Seite der Taufe.

Kirchenruine. St. Michael, Berlin-Mitte, 2016.
Denn entscheidend für das Wachsen in die Beziehung zu Gott und im persönlichen Glauben ist für ein Kind wohl am ehesten die Erziehung im Glauben.
Ich selbst versuche dies durch regelmäßige Gottesdienstbesuche und gemeinsames Gebet ebenso wie durch Lieder, Bücher und Hinweise auf religiöse Symbole im öffentlichen Raum.
Später dann werden sich die Kinder in größerer Freiheit entscheiden können. Was ich ihnen jetzt schenke, ist die Hinführung zu einem selbstverantworteten Glauben.

Aber das Geschenk der Weitergabe des gelebten Glaubens (dessen Wachsen auch in meinen Kindern Werk des Heiligen Geistes ist!) und die Freiheit der Entscheidung für die Taufe halte ich beides für sehr hohe Güter.

Vielleicht ist der fortwährende Rückgang der Gläubigen in beiden großen Kirchen in Deutschland (neben dem Problem des praktischen Atheismus in unser aller Alltag und dem Verlust von Glaubwürdigkeit und Ausstrahlung der Kirchen...) auch der Tatsache geschuldet, dass die Wenigsten der heute Getauften sich jemals wirklich selbst für ihre Gliedschaft in der Kirche entscheiden konnten.

Doch natürlich ist da die in der Taufe geschenkte göttliche Gnade und ihr Wirken im Getauften!
Jedoch: Wenn die Taufe eine Unbekannte in der eigenen Biographie ist und wenn das riesige Geschenk der Gotteskindschaft aus den verschiedensten Gründen nie richtig ausgepackt wurde, dann kann die Taufgnade ihre Wirkung auch nur gegen die menschliche Natur entfalten und nicht mit ihr.
Das muss doch nicht sein!

Außerdem vertraue ich darauf, dass Gott den Ungetauften ebenso nahe ist wie den Getauften (wenngleich meinetwegen anders).

Ich jedenfalls möchte meinen Kindern ermöglichen, das Geschenk der Neugeburt in Christus bewusst und freudig annehmen zu können.
Und ich hoffe aus ganzem Herzen, dass sie es irgendwann tatsächlich tun und die Freude der Gemeinschaft mit ihm als Getaufte erfahren werden.

Was die zurückgehenden Zahlen der getauften Menschen in Berlin angeht, kann ich hier sagen, dass sie nach außen zwar kein besonders schönes Zeichen sind, aber in jedem Fall differenziert betrachtet werden sollten.

__

Nachtrag 07.01.2017, 20:45 Uhr:
Natürlich sei diese Praxis niemandem pauschal zur Nachahmung empfohlen. Jeder Christenmensch möge selbst sehen, ob überzeugend ist, was ich hier schreibe.
Als offizielle Lehre der Kirche legt der Katechismus der Katholischen Kirche das argumentative Schwergewicht auf den oben genannten "katholischen" Aspekt und empfiehlt die Kindertaufe nachdrücklich (KKK 1250-1252). Zugleich betont er: "Der Glaube, der zur Taufe erforderlich ist, muß nicht vollkommen und reif sein; es genügt ein Ansatz, der sich entwickeln soll." (KKK 1253) Was das für einige Wochen oder Monate alte Kinder bedeuten kann, vermag ich nur schwer zu fassen.

Kirche in Berlin.
St. Nikolaus, Reinickendorf, Berlin, 2017.