Aus Anlass der "Gebetswoche für
die Einheit der Christen", die vom 18. bis 25. Januar weltweit
stattfindet, hier ein Beitrag zu einem der ersten großen
katholischen Vorkämpfer der Ökumene.
Im Gefängnis schreibt der
Friedensaktivist und katholische Priester Max Josef Metzger im Advent
1939 an Papst Pius XII.
Schon das zweite Mal war er wegen
seiner Opposition zum Nationalsozialismus und seines pazifistischen
Engagements inhaftiert, aber der Grund seines Schreibens nach Rom war
nicht seine Haft.
Spot an auf die Einheit. Scheinwerfer in Gelmeroda, 2017. |
Was ihn zutiefst bewegte, war sein
brennender Wunsch nach der Einheit der getrennten Christen. Durch
seine persönliche Begegnung und Freundschaft mit vielen
evangelischen Theologen und Pfarrern und als offizieller katholischer
Beobachter bei der evangelischen Weltkirchenkonferenz von Lausanne
1927 hatte er einen guten Blick, was die von Rom getrennten Christen
bewegte und wollte dem Papst nun seine Gedanken "in aller
Bescheidenheit, aber zugleich in voller Offenheit"1
vortragen.
Denn im Krieg, der gerade begonnen
hatte, und dessen verhehrende Auswirkungen Metzger nach seiner
Erfahrung als Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg schon dunkel ahnt,
sieht er auch eine Chance zum gemeinsamen Zeugnis der Christen, um
mit ihrer guten Botschaft neu Gehör zu finden.
Trotz wiederholter Beteuerungen, dass
er alles dem Papst anheimstellt, macht Metzger seine theologischen
und kirchenpolitischen Standpunkte doch mehr als klar.
Es brauche eine "Umkehr von den
Wegen der Selbstgerechtigkeit, der Verblendung und des Stolzes"2
auf allen Seiten, denn die Zerrissenheit der Christenheit ist "Tragik
und Schuld zugleich".3
Und die Schuld sieht der gestandene
Ökumeniker keineswegs bloß bei den Anderen, wie es der katholische
Mainstream seiner Zeit behauptete.
Nein, Metzger ist der Überzeugung,
dass "gegenüber der Vergangenheit ein vielfaches Maß von
Demut und Liebe auf unserer Seite erforderlich ist".4
Gegenüber den als "Ketzern" oder "Abtrünnigen"
Verunglimpften mehr Demut zu fordern, war schon ein starkes Stück
Den Grund dafür, dass die
evangelischen Kirchen nicht stärker auf die katholische Kirche
zugingen, sieht er dementsprechend in Misstrauen und Vorurteilen
gegenüber den Katholiken. Wenn man sich die zeitgenössischen
kirchlichen Verlautbarungen zu den anderen Christen anschaut, ist
dieses Misstrauen sehr wohl berechtigt, da eine völlige Aufgabe
anderer Traditionen und eine Katholisierung jeglichen
Glaubensausdrucks erwartet wurde.
Interessant ist mithin, dass nicht die
dogmatischen Unterschiede für Metzger die grundlegenden Hindernisse
der Einheit sind, sondern dass vielmehr "seelische
Schwierigkeiten und religiöse Bedenken"5
die Annäherung der anderen Christen an die katholische Kirche
verhindern.
Und er zählt einige deftige Vorwürfe
auf: die Kirche sei selbstgerecht und messe mit zweierlei Maß, sei
oftmals streng nach außen, nicht aber nach innen gegenüber sich
selbst; Herrschsucht mache die Rede vom Dienen unglaubwürdig;
"Rechthaberei und Geistesenge", aber auch
"Überheblichkeit und unbarmherzige Härte" würden
das Bild nach außen prägen.6
Wenn man die Aufzählung liest, kann
einem als katholischen Christen schon komisch werden. Doch für
Metzger ist das Aufbringen dieser Punkte ein "Dienst an der
Kirche"7
– gerade kritische Fragen können zu einem vertiefteren Verständnis
der eigenen Wirkung nach außen verhelfen und zur Unterscheidung,
welchen Schuh man sich tatsächlich anzuziehen hat.
Demut schaut von unten. Richardstraße, Neukölln, Berlin, 2016. |
Selbstverständlich, so betont Metzger
hintersinnig, mache er sich die Vorwürfe nicht zu eigen – aber:
seien nicht manchmal tatsächlich sehr "menschliche und
diesseitige Regungen"8
bei der Ausübung des kirchlichen Amtes dabei?
Wichtig erscheint ihm darum
vornehmlich: eine "aufrichtig demütige Haltung aller Hirten
der Kirche"9
– erst dann wird ein wirkliches Gespräch mit den getrennten
Christen möglich werden.
Die theologischen Streitthemen streift
Metzger nur. Er betont, dass er in ihnen eher "Spannungsgegensätze"10
sieht, nicht Widersprüche – für den Theologen müssen die
theologischen Werthaltungen beider Seiten zu ihrem Recht kommen. Eine
sehr moderne und konstruktive Auffassung von theologischer
Pluralität, wie ich finde.
Dazu kommt die innere Haltung der
Offenheit und Bereitschaft, "den Heiligen Geist zu hören,
auch wenn er einmal durch den andersgläubigen Bruder in Christo
spricht".11
In einer Institution, die zur damaligen
Zeit der Meinung war, sie allein sei im Bestz der einzigen und
vollgültigen christlichen Wahrheit, ist ein solcher Satz ein Hammer.
Noch dazu, wenn er sich in einem Brief findet, der das Haupt dieser
Gemeinschaft überzeugen soll, sich dem Anliegen des Dialogs zu
öffnen und nicht zu verschließen. Mutig!
(Leider stehe ich nicht genug im Stoff,
als dass ich die Reaktion des Papstes kennen würde – und die
altertümliche Ausgabe der Briefe enthält zwar einige schwülstige
Anmerkungen und Kommentare, aber leider nicht dazu...)
So schlägt Max Josef Metzger dem Papst
vor, fähige und im Dialog erfahrene Botschafter auszusenden, um die
Schwierigkeiten auszuloten, aber auch die "offenbar werdenden
Möglichkeiten der Annäherung".12
Und er schlägt ein Treffen in Assisi
vor, dass schließlich nach geraumer Zeit der Vorbereitung zu einem
gemeinsamen Konzil führen könne.
Ein unmögliches Unterfangen? Metzger
ist angesichts des Schreckens der Spaltung der Meinung, dass Handeln
unumgänglich ist und "nur ein großes Wagnis des Glaubens,
der Demut und der Liebe"13
hier helfen kann. Sein Eifer treibt ihn an, alles nur in seiner Macht
Stehende auch zu tun.
Angesichts solch kühner Gedanken
erscheint das Konzil, das dann tatsächlich von 1962-1965
stattgefunden hat, fast blass. Aber die Öffnung hin zu den anderen
Religionen, christlichen Gemeinschaften und Kirchen ist dort
gelungen. Und es handelt sich um ein solch gewaltiges Unterfangen,
hier in die vielfältigen Dialoge zu treten, dass ein wirklich langer
Atem nötig ist.
Auch wenn Metzger manche Komplikationen
und vor allem theologische Fragen noch nicht so differenziert auf dem
Schirm gehabt hat, wie die nicht ganz unwichtige (und gerade
virulente) Frage nach dem eigentlichen Ziel der Ökumene, nach der
Gestalt einer möglichen Einheit, zu der sehr verschiedene Meinungen
bestehen, so sind sein Einsatz und sein Eifer doch beachtlich und für
seine Zeit geradezu visionär.
In diesem Eifer und in seiner Haltung der hörenden Offenheit auf die anderen Christen ist und bleibt er ein
Vorbild für die heutige Ökumene.
Nach seiner Übersiedlung nach Berlin
wird Max Josef Metzger 1943 ein drittes Mal verhaftet und in
Plötzensee inhaftiert. Am 17. April 1944 wird er in Brandenburg
enthauptet.
Licht am Ende? Eingeweide des Klinikums Neukölln, Berlin, 2017. |
1 M.J.
Metzger, Gefangenschaftsbriefe. (Hg. v. H. Bäcker) 2. Aufl.
Meitingen 1948, 186.
2 Ebd.,
185.
3 Ebd.
4 Ebd.,
187.
5 Ebd.,
188.
6 Vgl.
ebd., 188f.
7 Ebd.,
188.
8 Ebd.,
189.
9 Ebd.,
189.
10 Ebd.,
190.
11 Ebd.,
191.
12 Ebd.,
193.
13 Ebd.