Donnerstag, 18. Januar 2018

Wenn Gott "durch den andersgläubigen Bruder in Christo" spricht. Max Josef Metzger schreibt an Papst Pius XII.

Aus Anlass der "Gebetswoche für die Einheit der Christen", die vom 18. bis 25. Januar weltweit stattfindet, hier ein Beitrag zu einem der ersten großen katholischen Vorkämpfer der Ökumene.

Im Gefängnis schreibt der Friedensaktivist und katholische Priester Max Josef Metzger im Advent 1939 an Papst Pius XII.
Schon das zweite Mal war er wegen seiner Opposition zum Nationalsozialismus und seines pazifistischen Engagements inhaftiert, aber der Grund seines Schreibens nach Rom war nicht seine Haft.

Spot an auf die Einheit.
Scheinwerfer in Gelmeroda, 2017.
Was ihn zutiefst bewegte, war sein brennender Wunsch nach der Einheit der getrennten Christen. Durch seine persönliche Begegnung und Freundschaft mit vielen evangelischen Theologen und Pfarrern und als offizieller katholischer Beobachter bei der evangelischen Weltkirchenkonferenz von Lausanne 1927 hatte er einen guten Blick, was die von Rom getrennten Christen bewegte und wollte dem Papst nun seine Gedanken "in aller Bescheidenheit, aber zugleich in voller Offenheit"1 vortragen.
Denn im Krieg, der gerade begonnen hatte, und dessen verhehrende Auswirkungen Metzger nach seiner Erfahrung als Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg schon dunkel ahnt, sieht er auch eine Chance zum gemeinsamen Zeugnis der Christen, um mit ihrer guten Botschaft neu Gehör zu finden.

Trotz wiederholter Beteuerungen, dass er alles dem Papst anheimstellt, macht Metzger seine theologischen und kirchenpolitischen Standpunkte doch mehr als klar.
Es brauche eine "Umkehr von den Wegen der Selbstgerechtigkeit, der Verblendung und des Stolzes"2 auf allen Seiten, denn die Zerrissenheit der Christenheit ist "Tragik und Schuld zugleich".3
Und die Schuld sieht der gestandene Ökumeniker keineswegs bloß bei den Anderen, wie es der katholische Mainstream seiner Zeit behauptete.
Nein, Metzger ist der Überzeugung, dass "gegenüber der Vergangenheit ein vielfaches Maß von Demut und Liebe auf unserer Seite erforderlich ist".4 Gegenüber den als "Ketzern" oder "Abtrünnigen" Verunglimpften mehr Demut zu fordern, war schon ein starkes Stück

Den Grund dafür, dass die evangelischen Kirchen nicht stärker auf die katholische Kirche zugingen, sieht er dementsprechend in Misstrauen und Vorurteilen gegenüber den Katholiken. Wenn man sich die zeitgenössischen kirchlichen Verlautbarungen zu den anderen Christen anschaut, ist dieses Misstrauen sehr wohl berechtigt, da eine völlige Aufgabe anderer Traditionen und eine Katholisierung jeglichen Glaubensausdrucks erwartet wurde.
Interessant ist mithin, dass nicht die dogmatischen Unterschiede für Metzger die grundlegenden Hindernisse der Einheit sind, sondern dass vielmehr "seelische Schwierigkeiten und religiöse Bedenken"5 die Annäherung der anderen Christen an die katholische Kirche verhindern.

Und er zählt einige deftige Vorwürfe auf: die Kirche sei selbstgerecht und messe mit zweierlei Maß, sei oftmals streng nach außen, nicht aber nach innen gegenüber sich selbst; Herrschsucht mache die Rede vom Dienen unglaubwürdig; "Rechthaberei und Geistesenge", aber auch "Überheblichkeit und unbarmherzige Härte" würden das Bild nach außen prägen.6
Wenn man die Aufzählung liest, kann einem als katholischen Christen schon komisch werden. Doch für Metzger ist das Aufbringen dieser Punkte ein "Dienst an der Kirche"7 – gerade kritische Fragen können zu einem vertiefteren Verständnis der eigenen Wirkung nach außen verhelfen und zur Unterscheidung, welchen Schuh man sich tatsächlich anzuziehen hat.

Demut schaut von unten.
Richardstraße, Neukölln, Berlin, 2016.
Selbstverständlich, so betont Metzger hintersinnig, mache er sich die Vorwürfe nicht zu eigen – aber: seien nicht manchmal tatsächlich sehr "menschliche und diesseitige Regungen"8 bei der Ausübung des kirchlichen Amtes dabei?
Wichtig erscheint ihm darum vornehmlich: eine "aufrichtig demütige Haltung aller Hirten der Kirche"9 – erst dann wird ein wirkliches Gespräch mit den getrennten Christen möglich werden.

Die theologischen Streitthemen streift Metzger nur. Er betont, dass er in ihnen eher "Spannungsgegensätze"10 sieht, nicht Widersprüche – für den Theologen müssen die theologischen Werthaltungen beider Seiten zu ihrem Recht kommen. Eine sehr moderne und konstruktive Auffassung von theologischer Pluralität, wie ich finde.

Dazu kommt die innere Haltung der Offenheit und Bereitschaft, "den Heiligen Geist zu hören, auch wenn er einmal durch den andersgläubigen Bruder in Christo spricht".11
In einer Institution, die zur damaligen Zeit der Meinung war, sie allein sei im Bestz der einzigen und vollgültigen christlichen Wahrheit, ist ein solcher Satz ein Hammer. Noch dazu, wenn er sich in einem Brief findet, der das Haupt dieser Gemeinschaft überzeugen soll, sich dem Anliegen des Dialogs zu öffnen und nicht zu verschließen. Mutig!

(Leider stehe ich nicht genug im Stoff, als dass ich die Reaktion des Papstes kennen würde – und die altertümliche Ausgabe der Briefe enthält zwar einige schwülstige Anmerkungen und Kommentare, aber leider nicht dazu...)

So schlägt Max Josef Metzger dem Papst vor, fähige und im Dialog erfahrene Botschafter auszusenden, um die Schwierigkeiten auszuloten, aber auch die "offenbar werdenden Möglichkeiten der Annäherung".12
Und er schlägt ein Treffen in Assisi vor, dass schließlich nach geraumer Zeit der Vorbereitung zu einem gemeinsamen Konzil führen könne.

Ein unmögliches Unterfangen? Metzger ist angesichts des Schreckens der Spaltung der Meinung, dass Handeln unumgänglich ist und "nur ein großes Wagnis des Glaubens, der Demut und der Liebe"13 hier helfen kann. Sein Eifer treibt ihn an, alles nur in seiner Macht Stehende auch zu tun.

Angesichts solch kühner Gedanken erscheint das Konzil, das dann tatsächlich von 1962-1965 stattgefunden hat, fast blass. Aber die Öffnung hin zu den anderen Religionen, christlichen Gemeinschaften und Kirchen ist dort gelungen. Und es handelt sich um ein solch gewaltiges Unterfangen, hier in die vielfältigen Dialoge zu treten, dass ein wirklich langer Atem nötig ist.

Auch wenn Metzger manche Komplikationen und vor allem theologische Fragen noch nicht so differenziert auf dem Schirm gehabt hat, wie die nicht ganz unwichtige (und gerade virulente) Frage nach dem eigentlichen Ziel der Ökumene, nach der Gestalt einer möglichen Einheit, zu der sehr verschiedene Meinungen bestehen, so sind sein Einsatz und sein Eifer doch beachtlich und für seine Zeit geradezu visionär. 
In diesem Eifer und in seiner Haltung der hörenden Offenheit auf die anderen Christen ist und bleibt er ein Vorbild für die heutige Ökumene.

Nach seiner Übersiedlung nach Berlin wird Max Josef Metzger 1943 ein drittes Mal verhaftet und in Plötzensee inhaftiert. Am 17. April 1944 wird er in Brandenburg enthauptet.

Licht am Ende?
Eingeweide des Klinikums Neukölln, Berlin, 2017.

1   M.J. Metzger, Gefangenschaftsbriefe. (Hg. v. H. Bäcker) 2. Aufl. Meitingen 1948, 186.
2   Ebd., 185.
3   Ebd.
4   Ebd., 187.
5   Ebd., 188.
6   Vgl. ebd., 188f.
7   Ebd., 188.
8   Ebd., 189.
9   Ebd., 189.
10   Ebd., 190.
11   Ebd., 191.
12   Ebd., 193.
13   Ebd.