Die Ökumene ist kein Aufregerthema
mehr.
Spätestens seit im letzten Jahr die
Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum in einem sehr
gemeinschaftlichen und ökumenischen Geist begangen wurden, könnte
man überlegen: Wozu braucht es überhaupt noch eine "Gebetswoche
für die Einheit der Christen", wie sie gerade weltweit vom
18.-25. Januar begangen wurde?
Die Zeiten, dass Katholiken keine
evangelischen Gottesdienste besuchen sollten, sind doch vorbei,
vorbei ist der familiäre Aufstand, wenn eine evangelische Christin
einen Katholiken heiraten wollte.
Es ist doch so viel Gemeinsamkeit
erreicht, die Unterschiede nur noch marginal.
Warum, so fragen sich viele Menschen,
einigt man sich also nicht einfach und macht eine gemeiname
christliche Sache, zumal die beiden großen Kirchen in Deutschland
doch schon so gut harmonieren.
Aber ökumenische Einheit funktioniert
eben nicht nach dem Prinzip von politischen Koalitionsverhandlungen,
bei denen man sich auf ein zeitlich begrenztes Programm zur
Gestaltung eines Landes einigen muss. Schon diese Einigung ist ein
enormer Akt, wie man gerade sieht.
In der Ökumene wollen wir Christen
jedoch noch viel mehr: Das Zusammenkommen der Kirchen zu einer
einzigen Gemeinschaft muss aus innerer Überzeugung erfolgen, und das
ist ein Prozess, der weltweit an sehr unterschiedlichen Punkten
steht.
Darum ist es gut, wenn seit Jahrzehnten
ein gemeinsamer Weg des Gebets gegangen wird.
In diesem Jahr haben Kirchen aus der
Karibik das Motto „Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an
Stärke“ (Ex 15,6) über die Gebetswoche gesetzt. Sie erinnern
damit an den Auszug des Volkes Israel aus der Knechtschaft in
Ägypten, eine Befreiung, die später als Tat der starken rechten
Hand Gottes bejubelt wurde. Diese biblische Befreiungserfahrung
erkennen die karibischen Christen auch im Freikommen aus anderen
Versklavungen. Gerade in der Kolonialgeschichte und dem Slavenhandel
ihrer eigenen Länder finden sie dieses alte Thema wieder.
Der Weg zur Einheit, so hat sich
gezeigt, führt oftmals über eine gemeinsame Leidenserfahrung.
Obwohl die Kolonialmächte aus Ländern kamen, die sich als
christlich verstanden, traten sie die Freiheit ihrer Mitmenschen
grausam mit Füßen. Die Verslavten aber zogen aus dem christlichen
Glauben den Mut und die Kraft, um gegen die Versklavung anzugehen.
Und sie vertrauten darauf, dass Gottes Hand ihrem Leiden irgendwann
ein Ende setzen wird.
Auch in der deutschen Geschichte haben
Christen aus unterschiedlichen Kirchen in der Verfolgung durch die
Nationalsozialisten näher zueinander gefunden. Die "Ökumene
der Märtyrer" hat gezeigt, dass trotz der
politisch-gesellschaftlichen Unfreiheit eine größere innere
Freiheit und tiefere Gemeinschaft wachsen kann.
So setzen wir Christen uns auch heute
ökumenisch ein, weil wir auf das befreiende Handeln Gottes vertrauen
und weil wir wissen, dass wir die Einheit der Christen nicht machen
können, sondern sie von Gott geschenkt bekommen.