Am 6. Oktober begeht die Kirche nicht
nur den Gedenktag des Heiligen Bruno, Gründer der Kartäuser,
sondern auch den des weitgehend unbekannten Heiligen Renatus von
Sorrent.
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Beim Blick auf die verfügbaren
Informationen vermischen sich wohl die Überlieferungen zweier
Traditionen. Renatus soll ein um das Jahr 450 gestorbener Bischof des
gleichnamigen Ortes im Golf von Neapel gewesen sein, spätere
Legenden machten ihn außerdem zum Bischof des französischen Angers.
Nicht in Sorrent. Sturmschäden nach Xavier. Maybachufer, Neukölln, Berlin, 2017. |
Realistisch angenommen werden kann ein
Eremitenleben, wie es in den Hügeln um Sorrent im Frühmittelalter
bezeugt ist.
Noch in einer Vita des Abtes Antonius
von Sorrent aus dem 9. Jahrhundert wird er als Eremit und nicht als
Bischof verehrt. Allerdings wurde über seiner Einsiedelei vermutlich
der erste Sorrentiner Dom gebaut, in dem ihm heute eine Kapelle
geweiht ist.1
Da ist also wenig Klares. Ein
Lokalheiliger, an dem einzig bemerkenswert zu sein scheint, dass die
französische Form seines Namens eine weitere Karriere gemacht hat –
René Magritte, René Descartes, René Kollo, René Schickele und
René Adler sind heute wahrscheinlich die bekanntesten Träger des
Namens.
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Und natürlich haben Eltern aus der DDR
(der auch ich entstamme) bei der Namensvergabe einige besonders
schöne englische, französische und italienische Vornamen
herausgesucht (und weiterentwickelt), so dass Marco, Maik, Pascal,
André, Robert und Ronny, aber eben auch René dort zu den
populärsten Vornamen gehörten. René war zwischen 1969 und 1978
sogar unter den zehn beliebtesten Vornamen in der DDR.2
Wahrscheinlich drückte die
namensvergebenden Eltern allerdings eher das Fernweh, als dass sie
sich näherer Beschäftigung mit der Bedeutung dieses Namens
hingaben. Diese ist nämlich durch und durch christlich geprägt,
ganz im Gegensatz zu den meisten DDR-Eltern.
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Renatus ist dem Wortstamm nach "der
Wiedergeborene".
Religiös betrachtet kann es sich dabei
zunächst um jedwede grundlegende Bekehrung oder tiefgreifende innere
Neuausrichtung des Lebens handeln. Die Vorstellung von einem
persönlichen Neuanfang gibt es in vielen Religionen und das Reden
von Neu- oder Wiedergeburt hört sich immer etwas esoterisch an.
Nicht wiedergeboren. Sturmschäden nach Xavier. Richardplatz, Neukölln, Berlin, 2017. |
Christen werden dagegen an die
Wiedergeburt aus dem Geist Gottes (vgl. Joh 3,6) denken. Im Gespräch
mit Nikodemus benennt Jesus die Wiedergeburt als Zugangsvoraussetzung
zum Reich Gottes: "Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem
Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen."
(Joh 3,5)
Die kirchliche Tradition hat hierin
immer die Wassertaufe als Zeichen und Wirklichkeit der vollzogenen
Neugeburt durch Gott verstanden. Dieses "Bad der
Wiedergeburt" (Tit 3,5) sollte von Sünden reinigen und den
Christen einen fundamentalen Neustart ermöglichen.
Dazu muss natürlich das Alte sterben
und so beschreibt Paulus die Taufe als ein Hindurchgehen durch den
Tod Jesu, um "zusammen mit ihm in der Wirklichkeit des neuen
Lebens [zu] wandeln. Wenn wir nämlich mit der Gestalt seines Todes
verbunden wurden, dann werden wir es auch mit der seiner Auferstehung
sein." (Röm 6,4f)
Taufe ist dann Auferstehung durch einen
liturgischen Akt.
Die Initiative dazu liegt bei Gott,
denn schließlich hat er "die Welt so sehr geliebt, dass er
seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht
verloren geht, sondern ewiges Leben hat" (Joh 3,16), fährt
der johanneische Jesus im Gespräch mit Nikodemus fort.
Wir dürfen neu anfangen, weil Gott es
will und es uns schenkt. Das ist die Essenz des Namens Renatus.
Ganz kurz gesagt:
Im spezifisch christlichen Sinn wäre
jegliches christliche Dasein qua Taufe ein Renatus-Sein, ein Leben
als Wiedergeborene, das Hineingenommensein in das Leben Gottes durch
Jesus Christus. "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt
in mir", schreibt Paulus (Gal 2,20).
Mystischer und gottinniger geht es
nicht.
Das hat auch mich mit meinem DDR-Namen
langfristig versöhnt.
Lob sei Gott für das Geschenk der
Wiedergeburt.
Altes muss sterben. Sturmschaden nach Xavier. Kirchgasse, Neukölln, Berlin, 2017. |
1 Vgl.
zum Ganzen: O. Wimmer, Handbuch der Namen und Heiligen. Innsbruch
1956, 393; A. Merkt, Art. Renatus; in: LThK 8, 3. Aufl. Freiburg
i.Br. 1999, 1107.