Freitag, 6. Oktober 2017

Renatus – Gedenktag der Wiedergeburt

Am 6. Oktober begeht die Kirche nicht nur den Gedenktag des Heiligen Bruno, Gründer der Kartäuser, sondern auch den des weitgehend unbekannten Heiligen Renatus von Sorrent.

1
Beim Blick auf die verfügbaren Informationen vermischen sich wohl die Überlieferungen zweier Traditionen. Renatus soll ein um das Jahr 450 gestorbener Bischof des gleichnamigen Ortes im Golf von Neapel gewesen sein, spätere Legenden machten ihn außerdem zum Bischof des französischen Angers.

Nicht in Sorrent. Sturmschäden nach Xavier.
Maybachufer, Neukölln, Berlin, 2017.
Realistisch angenommen werden kann ein Eremitenleben, wie es in den Hügeln um Sorrent im Frühmittelalter bezeugt ist.
Noch in einer Vita des Abtes Antonius von Sorrent aus dem 9. Jahrhundert wird er als Eremit und nicht als Bischof verehrt. Allerdings wurde über seiner Einsiedelei vermutlich der erste Sorrentiner Dom gebaut, in dem ihm heute eine Kapelle geweiht ist.1

Da ist also wenig Klares. Ein Lokalheiliger, an dem einzig bemerkenswert zu sein scheint, dass die französische Form seines Namens eine weitere Karriere gemacht hat – René Magritte, René Descartes, René Kollo, René Schickele und René Adler sind heute wahrscheinlich die bekanntesten Träger des Namens.

2
Und natürlich haben Eltern aus der DDR (der auch ich entstamme) bei der Namensvergabe einige besonders schöne englische, französische und italienische Vornamen herausgesucht (und weiterentwickelt), so dass Marco, Maik, Pascal, André, Robert und Ronny, aber eben auch René dort zu den populärsten Vornamen gehörten. René war zwischen 1969 und 1978 sogar unter den zehn beliebtesten Vornamen in der DDR.2

Wahrscheinlich drückte die namensvergebenden Eltern allerdings eher das Fernweh, als dass sie sich näherer Beschäftigung mit der Bedeutung dieses Namens hingaben. Diese ist nämlich durch und durch christlich geprägt, ganz im Gegensatz zu den meisten DDR-Eltern.

3
Renatus ist dem Wortstamm nach "der Wiedergeborene".

Religiös betrachtet kann es sich dabei zunächst um jedwede grundlegende Bekehrung oder tiefgreifende innere Neuausrichtung des Lebens handeln. Die Vorstellung von einem persönlichen Neuanfang gibt es in vielen Religionen und das Reden von Neu- oder Wiedergeburt hört sich immer etwas esoterisch an.

Nicht wiedergeboren. Sturmschäden nach Xavier.
Richardplatz, Neukölln, Berlin, 2017.
Christen werden dagegen an die Wiedergeburt aus dem Geist Gottes (vgl. Joh 3,6) denken. Im Gespräch mit Nikodemus benennt Jesus die Wiedergeburt als Zugangsvoraussetzung zum Reich Gottes: "Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen." (Joh 3,5)

Die kirchliche Tradition hat hierin immer die Wassertaufe als Zeichen und Wirklichkeit der vollzogenen Neugeburt durch Gott verstanden. Dieses "Bad der Wiedergeburt" (Tit 3,5) sollte von Sünden reinigen und den Christen einen fundamentalen Neustart ermöglichen.
Dazu muss natürlich das Alte sterben und so beschreibt Paulus die Taufe als ein Hindurchgehen durch den Tod Jesu, um "zusammen mit ihm in der Wirklichkeit des neuen Lebens [zu] wandeln. Wenn wir nämlich mit der Gestalt seines Todes verbunden wurden, dann werden wir es auch mit der seiner Auferstehung sein." (Röm 6,4f)
Taufe ist dann Auferstehung durch einen liturgischen Akt.

Die Initiative dazu liegt bei Gott, denn schließlich hat er "die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat" (Joh 3,16), fährt der johanneische Jesus im Gespräch mit Nikodemus fort.
Wir dürfen neu anfangen, weil Gott es will und es uns schenkt. Das ist die Essenz des Namens Renatus.

Ganz kurz gesagt:
Im spezifisch christlichen Sinn wäre jegliches christliche Dasein qua Taufe ein Renatus-Sein, ein Leben als Wiedergeborene, das Hineingenommensein in das Leben Gottes durch Jesus Christus. "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir", schreibt Paulus (Gal 2,20).

Mystischer und gottinniger geht es nicht.
Das hat auch mich mit meinem DDR-Namen langfristig versöhnt.
Lob sei Gott für das Geschenk der Wiedergeburt.

Altes muss sterben. Sturmschaden nach Xavier.
Kirchgasse, Neukölln, Berlin, 2017.

1   Vgl. zum Ganzen: O. Wimmer, Handbuch der Namen und Heiligen. Innsbruch 1956, 393; A. Merkt, Art. Renatus; in: LThK 8, 3. Aufl. Freiburg i.Br. 1999, 1107.

2   Vgl. W. Seibicke (u.a.), Historisches Deutsches Vornamenbuch. Bd. 3, Berlin / New York 2000, 603.