Dienstag, 17. Oktober 2017

Wegen Vandalismus geschlossen. Von Heiligkeit und Verwundbarkeit.

Heute habe ich im Klinikum Neukölln den Raum der Stille aufgesucht und fand ihn geschlossen mit nebenstehender Inschrift.
Ich weiß nicht, was genau dort vorgefallen ist, aber wegen vereinzelter kleinerer Verstöße wäre er sicher nicht geschlossen worden.

Das Krankenhaus hält einen (multi- oder überreligiösen) Raum vor, der denen, die dorthin kommen und Kraft tanken wollen, den Rahmen dazu bieten soll – und es gibt Menschen, die genau darum dort wüten.
Natürlich finde ich das in erster Linie traurig und erschreckend und ein Zeichen übler Bosheit.

Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass es natürlich diesen Raum, der dem Äußeren nach zu urteilen, nicht besonders treffen musste.

Es gibt nämlich ein Gespür dafür, dass manchen Menschen etwas heilig ist.

Das mag dieser stille Ort sein, an dem man Ruhe und Frieden und vielleicht sogar einen Gebetsgedanken finden kann.
Augenscheinlich haben auch die Zerstörungswütigen dieses Gespür für das Heilige – und das unabhängig davon, ob die Zerstörungen nun bloßer Unsinn oder mutwillige Bosheit gewesen sind (oder, Gott behüte, durch Fanatiker einer bestimmten Religion, in Neukölln böte sich besonders der Islam an, verübt wurden).

Dort, wo die einen Heil erwarten, müssen die anderen hineinschlagen.
Denn diese kostbaren Orte sind zugleich die verwundbarsten. Dort, wo wir Stille und Frieden suchen, können wir leicht verletzt werden.

Das ist vielleicht eine Art guter Botschaft hinter der schlimmen – dass das Gespür für Heiligkeit noch vorhanden ist und nicht nur Gleichgültigkeit herrscht.

Und das soll nicht zynisch klingen, denn wenn in unserer Gesellschaft von Religionsferne und Säkularisierung gesprochen wird, klingt oft mit, dass Menschen kein Gespür mehr für das Heilige hätten.
Aber das ist nicht so – auch die Wut (oder was immer es konkret war) auf solche "heiligen" oder heilenden Orte bestätigt nur den Sensus für diese Orte.
Und sei es durch die Wut auf das Ganze, das Heilige, das Mächtige und das zugleich auf die eigene Verwundbarkeit Hinweisende.

Auch wenn in Neukölln vielleicht nicht viele Patienten oder Angehörige diesen Raum aufsuchen, ist es doch ein heiliger und damit leicht verwundbarer Raum. Es ist ein Raum, der für etwas steht, das nicht alle aushalten können.

Ich finde gut, dass es ihn gibt – und hoffe, ihn irgendwann einmal besuchen zu können. Denn das wäre eine zutiefst christliche Botschaft : einen verwundbaren Raum offenzuhalten. 
Passt auch irgendwie zu einem Krankenhaus.

Den Link zum Tagesheiligen Ignatius von Antiochien, der für das Heiligste, das es für ihn gab, nämlich für den Glauben an den einen Gott Jesu Christi, bekomme ich nun nicht mehr schmerzfrei hin, darum hier nur der Hinweis auf ihn. 

Ausblick.
Krankenhaus Neukölln, Berlin, 2017.