Das Romanepos "Joseph und seine
Brüder" von Thomas Mann sei hier unbedingt empfohlen. Neben der
titelgebenden Konstellation geht es darin unter anderem auch um die
Vorfahren Josephs und um die Entwicklung des Ein-Gott-Glaubens dieser
frühen Gläubigen und Vorfahren der Juden und Christen.
Thomas Mann theologisiert
bekanntermaßen auf hohem literarischen Niveau, das er sich durch
jahrelange Beschäftigung mit den altorientalischen und ägyptischen
Religionszeugnissen und Gedankengängen erarbeitet hatte. Die
Konflikte Jakobs mit seinem polytheistisch praktizierenden
Schwiegervater Laban stellt er dabei ebenso heraus wie Fragen nach
Orakeln und Opfern, Gründe für Eingottverehrung und Eingottglaube
und Bezüge zu christlichen Deutungsmustern.
Einer im Himmel. Heizkraftwerk, Neukölln, Berlin, 2014. |
Daran kann man berechtigt Fragen
stellen, wenn es um heutige christliche Glaubensüberzeugungen und
exegetisch-historische Kenntnisse geht. Aber bemerkenswert und
zuweilen spirituell inspirierend ist die Beschäftigung mit Thomas
Manns Denken allemal, auch wenn seine Deutung des biblischen Textes bisweilen ungewohnt sind.
In loser Folge stelle ich demnächst
einige kleine Textabschnitte ein, die mir ästhetisch und theologisch
interessant erscheinen.
Zuerst also Abraham:
"Urvater hatte die Frage
unbedingt wichtig genommen, wem der Mensch dienen solle, und seine
merkwürdige Antwort darauf war gewesen: Dem Höchsten allein.
Merkwürdig in der Tat! Es sprach aus der Antwort ein Selbstgefühl,
das man fast hoffärtig und überhitzt hätte nennen können. Der
Mann hätte mögen zu sich selber sagen: 'Was bin und tauge ich
weiter und in mir der Mensch! Es genügt, dass ich irgendeinem Elchen
oder Ab- und Untergott diene, es liegt nichts daran.' So hätte er es
bequemer gehabt. Er aber sprach: 'Ich, Abram, und in mir der Mensch,
darf ausschließlich dem Höchsten dienen.' Damit fing alles an."1
Nicht Bequemlichkeit ist also der Grund
für seine Religion, sondern das einzigartige Bewusstsein und die
Würde des Menschen. "Fast hoffärtig", eitel und
überkandidelt nennt Thomas Mann es, ich würde ganz klar das "fast"
betonen – der Glaube an den Höchsten schrammt immer knapp an der
Hybris entlang – und überschreitet die Grenze zu ihr in manchen
Fanatismen auch – aber im eigentlichen Sinne ist dies die dem
Menschen angemessene Religion.
(Weiter geht es hier mit Isaak)
1 Thomas
Mann, Joseph und seine Brüder. Frankfurt am Main 4. Aufl. 2013,
310.