Donnerstag, 2. April 2015

Jünger werden - Abendmahl auf der Straße am Gründonnerstag

Heute habe ich an einer Straßentheater-Aktion teilgenommen. Auf öffentlichen Plätzen in Berlin entstand das Letzte Abendmahl in der bekanntesten Bildversion nach Leonardo da Vinci als Standbild.

Das ist eine Erfahrung, die sehr in die Tiefe führen kann: Wir sind Jesus durch die Straßen Berlins gefolgt, Aprilhagel hat uns frösteln lassen, das Brot haben wir mit ihm gemeinsam gegessen, aufgebrochen sind wir nach der Ankündigung des Verrats.

Mahl halten am Brandenburger Tor. Berlin-Mitte, 2015.
In biblische Texte, in die heilsgeschichtlichen Motive und Situationen einzutauchen, ist ein wunderbarer Weg, mit den Ereignissen in inneren Kontakt zu kommen.
Mahl im Lustgarten. Berlin-Mitte, 2015.

Schaudernd erinnere ich mich noch an das Gefühl beim Mitsingen in einer Bachschen Passion, wenn der Chor als aufgebrachte Menge schreien muss: "Lass ihn kreuzigen!" 
Als SängerIn wird man in eine Identifikation mit den Mordlustigen hinein gezogen, die verstörend ist.

Ähnliche Ansätze verfolgen Bibliodrama und Bibliolog, zwei Methoden, durch die sich Menschen, wie in einer ignatianischen Betrachtung, an verschiedenen Orten in ein biblisches Geschehen hineinstellen können. 

Mahl vor dem Berliner Dom.
Berlin-Mitte, 2015.
Denn indem wir das "Innerlich-die-Dinge-Verspüren-und-Schmecken"1 ausprobieren, stellt sich uns selbst die Frage der Jünger: Wie kann einer von uns ihn in den Tod ausliefern, nachdem wir so vieles gemeinsam durchgestanden haben?

Vielleicht sind Auslieferung oder Bewahrung der Treue in unserem Alltag gar nicht so weit weg von uns. Er will ja seinen Bund mit uns schließen, uns mit seinem Leben beschenken und zur Gegengabe herausfordern. Was werde ich dann tun?

Die Frage, wo der jeweilige Platz in der Gemeinschaft um Jesus ist, stellte auch Papst Franziskus am Palmsonntag vor einem Jahr und dieser Frage kann sich jeder stellen – bin ich nah bei ihm oder auf Distanz, ängstlich oder ruhig, mitgehend oder fortstrebend ...

Auf dem Weg zum Mahl am
Gendarmenmarkt. Berlin-Mitte, 2015.
Und: Wo werden wir morgen stehen, wenn Jesus nicht mehr bei uns ist, wenn die schweren Stunden kommen, wenn unser Platz bei Jesus in Frage gestellt wird? Werden wir den Bund, den er mit uns schließen will, halten? Werden wir das Leben aus seinen Händen weitergeben?


Wie auch immer man diese Fragen beantwortet: Heute waren wir unterwegs und haben in Berlin gezeigt, dass jeder Mensch am Tisch Jesu Platz nehmen kann – und dass ihm nachzufolgen keine Schön-Wetter-Frömmigkeit ist. (Oder ob das Aprilwetter die Stimmung der Jünger widerspiegelte?)

Seine Liebe weiterzugeben an alle Menschen und ihn so auferstehen zu lassen in unser Leben bleibt unsere Aufgabe des Gründonnerstags.
 
Es ist noch Platz am Tisch Jesu. Altes Museum, Berlin-Mitte, 2015.
1   Ignatius v. Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte. Leipzig 1978, No. 2.