Heute habe ich an einer
Straßentheater-Aktion teilgenommen. Auf öffentlichen Plätzen in
Berlin entstand das Letzte Abendmahl in der bekanntesten Bildversion
nach Leonardo da Vinci als Standbild.
Das ist eine Erfahrung, die sehr in die
Tiefe führen kann: Wir sind Jesus durch die Straßen Berlins
gefolgt, Aprilhagel hat uns frösteln lassen, das Brot haben wir mit
ihm gemeinsam gegessen, aufgebrochen sind wir nach der Ankündigung
des Verrats.
Mahl halten am Brandenburger Tor. Berlin-Mitte, 2015. |
In biblische Texte, in die heilsgeschichtlichen
Motive und Situationen einzutauchen, ist ein wunderbarer Weg, mit den
Ereignissen in inneren Kontakt zu kommen.
Mahl im Lustgarten. Berlin-Mitte, 2015. |
Schaudernd erinnere ich mich noch an
das Gefühl beim Mitsingen in einer Bachschen Passion, wenn der Chor
als aufgebrachte Menge schreien muss: "Lass ihn kreuzigen!"
Als SängerIn wird man in eine Identifikation mit den Mordlustigen
hinein gezogen, die verstörend ist.
Ähnliche Ansätze verfolgen
Bibliodrama und Bibliolog, zwei Methoden, durch die sich Menschen,
wie in einer ignatianischen Betrachtung, an verschiedenen Orten in
ein biblisches Geschehen hineinstellen können.
Mahl vor dem Berliner Dom. Berlin-Mitte, 2015. |
Denn indem wir das
"Innerlich-die-Dinge-Verspüren-und-Schmecken"1
ausprobieren, stellt sich uns selbst die Frage der Jünger: Wie kann
einer von uns ihn in den Tod ausliefern, nachdem wir so vieles
gemeinsam durchgestanden haben?
Vielleicht sind Auslieferung oder Bewahrung der Treue in unserem Alltag gar nicht so weit weg von
uns. Er will ja seinen Bund mit uns schließen, uns mit seinem Leben beschenken und zur Gegengabe herausfordern. Was werde ich dann tun?
Die Frage, wo der jeweilige Platz in
der Gemeinschaft um Jesus ist, stellte auch Papst Franziskus am Palmsonntag vor einem Jahr und dieser Frage kann sich jeder stellen – bin ich nah bei
ihm oder auf Distanz, ängstlich oder ruhig, mitgehend oder
fortstrebend ...
Auf dem Weg zum Mahl am Gendarmenmarkt. Berlin-Mitte, 2015. |
Und: Wo werden wir morgen stehen, wenn
Jesus nicht mehr bei uns ist, wenn die schweren Stunden kommen, wenn
unser Platz bei Jesus in Frage gestellt wird? Werden wir den Bund,
den er mit uns schließen will, halten? Werden wir das Leben aus seinen Händen weitergeben?
Wie auch immer man diese Fragen beantwortet: Heute waren wir unterwegs und haben in Berlin gezeigt, dass jeder Mensch am Tisch Jesu Platz nehmen kann – und dass ihm nachzufolgen keine Schön-Wetter-Frömmigkeit ist. (Oder ob das Aprilwetter die Stimmung der Jünger widerspiegelte?)
Seine Liebe weiterzugeben an alle Menschen und ihn so auferstehen zu lassen in unser Leben bleibt unsere Aufgabe des Gründonnerstags.
Es ist noch Platz am Tisch Jesu. Altes Museum, Berlin-Mitte, 2015. |
1 Ignatius
v. Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte. Leipzig 1978,
No. 2.