Sonntag, 4. April 2021

Großostern oder Kleinostern? - Feiern wir das Leben!

1.
Vielleicht haben Sie in diesem Jahr ja schon Kleinostern gefeiert – einen dieser Ostermomente in unserem Leben:

Wenn jemand nach einer schweren Krankheit wieder gesund geworden ist.

Wenn sich Familienmitglieder nach einem Streit wieder vertragen.

Wenn nach dem langen Winter endlich der Frühling beginnt.

Wenn jemand nach einer Haftstrafe neu anfängt.

Wenn eine rettende Impfung kommt.

 

Freude, Erleichterung, Aufatmen, Mut fassen – das dazu gehörende Spektrum der Gefühle und Stimmungen ist breit.

Auferstanden - unerkannt.
Schattenbild.
Sie alle kennen solche oder ähnliche Erfahrungen und Gefühle, im Kleinen wie im Großen. Nicht jeder von Ihnen wird sie als religiöse Erfahrung gedeutet haben, aber ich formuliere es trotzdem so: Es ist ein österliches Gefühl, wenn etwas neu beginnt, wenn das Leben neue Kraft bekommt und wenn Altes endlich abfallen kann.

Und heute soll nun Großostern gefeiert werden: Jesus ist auferstanden! – Wir feiern in Freude den Sieg des Lebens über den Tod, die Feier des neuen Anfangs und den Abschied von allem Alten. Ganz groß!


2.
Aber was soll das in diesem Jahr für ein Ostern sein?
Unsere Ostermomente sind in diesem Jahr, dem zweiten Jahr der Corona-Pandemie eher klein geraten, für Sie hier im Gefängnis noch einmal besonders klein. Nur Kleinostern sozusagen… Viel Auferstehungskraft regt sich in den meisten nicht mehr. Nur Müdigkeit, Frust und Ärger.
Großostern ist abgesagt, etliche Gemeinden draußen können sich nicht zu Gottesdiensten treffen oder nur in sehr kleiner Zahl.

Dieses Jahr müssen wir uns wohl mit einem Kleinostern begnügen. Das eigentliche Ostergefühl wird sich vielleicht erst dann einstellen, wenn sehr viele Leute geimpft sind und die Impfung auch noch gegen die weiteren Virusmutationen schützt.
Und für Sie, die Sie hier einsitzen, ist diese Zeit in Haft, so habe ich es neulich im Gespräch gehört, manchmal wie ein Grab, wie der Tod mitten im Leben - wer das so fühlt, für den findet der eigentliche Ostermoment eventuell erst vor dem Tor dieser Anstalt in Freiheit statt...

3.
Auch Maria Magdalena hat ihre Osterbegegnung vielleicht erst später wirklich begriffen – vielleicht war das erste Ostern mit der geschilderten Begegnung ja gar nicht ihr Großostern, sondern vielleicht musste in ihr erst reifen, was Ostern wirklich ist.
Auch das kennen wir ja – dass wir von einer guten Nachricht wie überfahren werden und das Neue und Tolle daran erst nach und nach in ihrem ganzen Umfang verstehen können.

Maria Magdalena, von der wir gerade im Evangelium gehört haben (Joh 20,1.11-18), hatte damit ihre Probleme. Zuerst erkannte sie im Auferstandenen nicht "ihren" alten Jesus (v15); als sie ihn dann erkannte, konnte sie das Neue noch nicht fassen – und konnte ihn doch nicht fassen (v17). Sehr coronakonform übrigens, was Jesus ihr da sagt...

Aber Jesus hatte einen anderen Grund für seine Distanz: Ihr Ostermoment hat Maria Magadalena dazu verführt, dass sie mit Händen greifen wollte, was mit Händen nicht zu begreifen ist. Doch Jesus ist nicht mehr so da wie zuvor. Der Neue ist ganz anders!

Vielleicht – ja hoffentlich! – werden auch Ihre Familien das erleben, wenn Sie entlassen werden: Er ist ganz neu und anders als der Alte, der eingefahren ist. Aber, großer Unterschied, Sie dürfen sich dann wieder berühren…

Aber so ist es ja auch gesellschaftlich gerade oft: Wir hängen noch in unseren alten Vorstellungen und hoffen beispielsweise, aus dieser Corona-Krise genauso wieder herauszukommen, wie wir hineingegangen sind. Ich glaube, auch hier werden wir alle noch viel lernen müssen, damit das Leben siegen kann.

4.
Doch egal, wie groß oder klein, wie alt oder neu Ostern in diesem Jahr für uns – für Sie, für mich – ist, entscheidend ist, dass wir uns persönlich davon ansprechen lassen.

Auch davon haben wir ja gehört: Jesus spricht Maria mit ihrem Namen an. Sie ist persönlich gemeint und hört in ihrem Namen die ganze Nähe und Liebe Jesu.

Und Jesus spricht auch zu jedem von uns – persönlich, liebevoll, nah.
Es gibt Zeiten voller Kleinostern, da ist das schon sehr viel: dass da jemand ist, der mich zuinnerst kennt, der mir persönlich nah sein will in einer ganz besonderen Weise – nicht zum Anfassen, nicht zum Umarmen, aber voller Liebe.

Ich wünsche Ihnen an diesem Osterfest, dass Sie Jesu Nähe und Liebe spüren können, auch wenn körperliche Berührung nicht dazugehören – weder für Maria Magdalena noch für Sie.

Das Leben zu feiern bedeutet dieses Jahr, dass wir Kleinostern dankbar annehmen – und uns ausstrecken nach dem Großostern, das uns noch erwartet.

5.
Denn das Ende ist kein Abschluss mehr, kein Nichts, das alles besiegelt und unser Leben beendet.
Nein, das Ende ist offen – das Ende ist ein Neubeginn, anderes, weites Leben, Begegnung mit Ihm.

Ein Osterlied der Berliner Band „herrlicher“ (Text von Matthias Pinkawa):


Mein Ende ist offen

Mein Ende ist weit

Mein Ende wird anders

als erahnt

Mein Ende ist dunkel

Mein Ende ist hell

Mein Ende es strahlt

In meiner Welt

 

Ende offen

auf Dich hin

Ende offen

auf Dich hin

Mein Ende ist offen

auf Dich hin

 

Mein Ende ist Bruch

Mein Ende ist Rauch

Mein Ende ist Asche

Mein Ende ist Staub

Mein Ende ist Antwort

Mein Ende wird groß

Mein Ende ist sicher

grenzenlos

 

Ende offen

auf Dich hin

Ende offen

auf Dich hin

Mein Ende ist offen

auf Dich hin

 

Mag die Sehnsucht noch diffus sein

Meine Hoffnung ist konkret

Du offenbarst Dich in mein Leben

Setz die Grenzen neu

 

Ende offen

2 Kommentare:

  1. Kann man das Lied irgendwo im Netz hören? Ich habe es bei youtu.be nicht gefunden. Ich bekomme nur viele sehr fromme Vorschläge wegen "herrlicher".

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  2. Ich habe es auch nur über einen Streamingdienst gefunden und als CD zu Hause. Ist wahrscheinlich schwierig, anders an das Lied ranzukommen... Vielleicht nächstes Jahr live in St. Christophorus in Neukölln, gleich um die Ecke 🙂

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