Sonntag, 15. November 2020

Coole Sachen statt Müll. Eine Talentgeschichte

Mit Herrn A. bin ich seit einigen Monaten regelmäßig im Gespräch. Zuerst hatte er um ein Krisengespräch gebeten, als er lange Zeit im Einschluss war, da man befürchtete, dass Gefahr von ihm ausgeht. Inzwischen ist der Einschluss vorbei und unsere Gespräche gehen trotzdem weiter. 

Altes Haus vor neuem Haus.
Friedrichsfelde, Berlin, 2020.

Herr A. ist wegen Gewalt- und Betrugsdelikten inhaftiert. Um seine Straftaten zu begehen, brauchte er nicht nur beträchtliche kriminelle Energie, sondern auch einige spezielle Fähigkeiten (ich nenne sie hier aus Gründen der Anonymisierung nicht). 

Als wir darüber sprachen, wies ich ihn darauf hin, welches Potenzial da eigentlich in ihm schlummert. 

Die Überraschung kam einige Wochen später: Herr A. betonte im Gespräch, wie sehr ihn diese Aussage von mir beschäftigt habe. Zum ersten Mal sei ihm klar geworden: „Ich mache nur Müll aus meinem Leben. Dabei könnte ich eigentlich richtig coole Sachen machen.“

Diese Einsicht hat mich sehr gefreut, denn solche unmittelbaren Rückmeldungen kriegt man selten. Außerdem halte ich dies für die nahezu wichtigste Selbsterkenntnis: Feststellen, dass ich Talente erhalten habe (vgl. Mt 25,14-30) und damit etwas tun kann. Und einsehen, wie gut es wäre, wenn dieses Können auch gute Früchte trägt. 

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