Samstag, 16. Januar 2021

Großzügigkeit zulassen. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet.
Hier der Text des letzten Wortes:

Großzügige Architektur.
Schloss Belvedere, Weimar, 2018.
Ich tue mich unheimlich schwer damit, mir helfen zu lassen. Lieber bin ich selber in der Position, anderen hilfreich zu sein. Dann fühle ich mich sicher und souverän. Ich habe die Kontrolle und so fällt es mir auch leichter, großzügig zu sein. Möglicherweise kennen Sie diese Gefühle auch.

Andersherum aber begebe ich mich auf unbekanntes Terrain. Als Bittsteller bin ich dem Anderen und seinem Wohlwollen irgendwie ausgeliefert und kann mich nur schwer revanchieren. Das nämlich ist oft mein erster Impuls: Ich suche eine Möglichkeit, das Gute zu bezahlen, möchte nicht in jemandes Schuld stehen und lieber selbst klarkommen.

Als Seelsorger bin ich gern großzügig bei meinen Gesprächspartnern im Gefängnis. Natürlich sind alle selbstverschuldet dort, aber der Freiheitsentzug, um den es eigentlich geht, ist ja nur eine Dimension der Strafe. Selbst Kaffee ist ein Luxusprodukt, das extra eingekauft werden muss. Also lade ich gern zum Gespräch bei Kaffee ein. Und wenn mich jemand bittet, dann gebe ich auch schon mal einen Kaffeefilter voll Kaffeepulver mit.

Neulich wollte auch mir jemand etwas Gutes tun und schenkte mir ein Bild, an dem er lange gearbeitet hatte. Seit ich im Gefängnis arbeite, bin ich sehr wachsam, was das angeht: Ein solches Geschenk als Antwort auf eine Spende von mir kommt gefährlich nahe an einen Handel heran, durch den Ansprüche und Abhängigkeiten entstehen könnten. Deshalb ist diese Art von Geschenk und Gegengeschenk verboten.

Dadurch aber bleiben die Inhaftierten immer in der Position von Bittstellern, die selbst nichts geben und in Notsituationen nur betteln können. Es ist eine entwürdigende Beziehung, in der immer nur einer gibt und nie der Andere.

Wenn ich das vor Augen habe, dann fällt es mir viel leichter, mir auch helfen oder mich beschenken zu lassen. Dann verlasse ich nämlich die Stellung des Stärkeren und werde zum Beschenkten. Ich kann zeigen, dass die Großzügigkeit meines Gegenübers mir gut tut. Auch wenn das manchmal Überwindung kostet.

Letztendlich habe ich übrigens auch das Bild angenommen und in mein Büro gestellt. Damit ist es nicht nur für mein privates Vergnügen da, sondern kommt all meinen Besuchern zugute.

Und die Großzügigkeit des Spenders kann noch weitere Kreise ziehen.

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