Dienstag, 12. Januar 2021

Großzügig verzichten. Ein Radiowort

In dieser Woche wird täglich ein kurzes Wort für den Tag auf rbb Antenne Brandenburg (9:10 Uhr), rbb Kultur (6:45 Uhr) und rbb 88.8 (5:55 Uhr) von mir gesendet. Hier der Text des heutigen Wortes:


Theke frei, Termine frei.
Evang. Konsistorium, Friedrichshain, Berlin, 2020.
Wenn ich mich mit meiner Frau streite, dann merke ich fast immer, dass wir beide irgendwie ein bisschen Recht haben und zugleich beide irgendetwas falsch gemacht haben.

Gerade während der aktuellen Kitaschließung geht es oft darum, wer die Kinder denn nun betreut. Da müssten wir unsere dienstlichen Termine eigentlich gut miteinander abgesprochen haben – aber leider ist das nicht so. Mal sage ich beim Abendessen nur so nebenbei, dass da noch etwas ansteht und meine Frau vergisst es sofort wieder, mal kommt sehr kurzfristig eine mehr oder weniger wichtige Sache herein.

Sind dabei wichtige Termine oder Arbeitszeiten berührt, kann es schon mal zu längeren Diskussionen kommen, warum das "immer" passiert und ob es nicht mehr Rücksichtnahme bräuchte.

Aber eigentlich könnte ich doch manchmal einfach auf mein Recht verzichten und einen anderen Termin für den Familienfrieden wieder absagen. Warum gelingt mir das bloß so selten? Fühle ich mich zu wichtig in meinem Beruf? Möchte ich andere Menschen nicht enttäuschen durch eine Absage? Oder ist mir am Ende wichtiger, mein Recht zu bekommen und es bequem zu haben als meiner Frau entgegenzukommen?

Wie immer es im konkreten Einzelfall auch sei, ich habe gemerkt: Um großzügig zu sein, muss ich manchmal auch verzichten.

Denn es hilft ja gar nichts, wenn ich immer darauf poche, dass ich Recht habe oder wichtig bin. Manchmal hilft es, mich daran zu erinnern, wo ich stünde, wenn nicht auch andere mir gegenüber manchmal großzügig sein würden.

Allein was meine Eltern über Jahre und Jahrzehnte für Energie, Geld und Nerven in mich investiert haben.

Aber auch in meiner Beziehung zu Gott vergesse ich oft, was mir alles geschenkt ist. Und fange an, mit ihm zu streiten, dass mein Leben so anstrengend ist oder dass nicht alles so kommt, wie ich mir das wünsche. Dabei kann ich froh sein, dass ich meine Fehler nicht immerzu von ihm aufs Brot geschmiert bekomme. Großzügig fühle ich mich weiterhin von ihm beschenkt mit Gesundheit, einer Familie, einer interessanten Arbeit.

Da kann ich es mir eigentlich auch leisten, bei der häuslichen Termindiskussion das nächste Mal großzügig zu sein!

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