Samstag, 19. Dezember 2020

Heilszeit 19 – Echt in "Herkunft" von Saša Stanišić

Dieser Textabschnitt hat mich auf das Thema dieses Adventskalenders gebracht.

Saša Stanišić schreibt autobiographisch erzählend von sich und von seinen Ursprüngen, vom Weggehen, vom Ankommen, vom Zurückkehren und immer wieder auch von der Familie.

Welt ungeschminkt, Bild unbearbeitet.
Park Mużakowski, 2020.
"Literatur ist ein schwacher Kitt. Das merke ich auch bei diesem Text. Ich beschwöre das Heile und überbrücke das Kaputte, beschreibe das Leben vor und nach der Erschütterung, und in Wirklichkeit vergesse ich Geburtstage und nehme Einladungen zu Hochzeiten nicht wahr. Ich muss nachdenken, um mich zu erinnern, wie die Kinder meiner Cousinen heißen. An den Gräbern meiner Großeltern mütterlicherseits habe ich noch kein einziges Mal eine Kerze angezündet.

Ich schiebe nicht den Krieg und der Entfernung die Schuld zu für meine Entfremdung von meiner Familie. Ich schiebe Geschichten als Übersprungshandlungen zwischen uns."1


Adventsmeditation für heute:

Manchmal ist da der Wunsch nach mehr Heilem. Wir "beschwören" es, damit wir leben können und lassen alles andere lieber dahinter zurücktreten.

Verdrängen auch meine Beschwörungen manchmal die echte Welt, in der ich lebe? 

Heute nehme ich mir vor, auch unheile Teile meiner Lebensgeschichte anzuschauen und mich der ungeschönten Welt auszusetzen. 

Das ist der Weg Gottes, den wir im Advent und an Weihnachten mitgehen können.


(Mehr zum Buch "Herkunft" hier)

1   S. Stanišić, Herkunft. 10. Aufl. München 2019, 217.


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