Montag, 7. Dezember 2020

Heilszeit 7 – Abschied in "Serpentinen" von Bov Bjerg

Das Erzähler-Ich dieses Buches ist geprägt von Selbstzerstörungsimpulsen und dem Leiden an einer kaputten Familie. Dazwischen blitzen immer wieder Momente einer Versöhnung auf – aber auch Gewaltfantasien. Wie in Serpentinen geht es hin und her, manchmal haarscharf am Kollaps vorbei.

So wie hier, wo es am Ende zu einer hellsichtigen Erinnerung kommt:

Abschiedsblume.
Friedhof in Neuruppin, 2019.
"Ich stürzte zur Toilette.

Das Bier war wieder draußen. So war das. Wenn der Magen leer war, war das Bier schnell wieder draußen.

Ich klappte den Klodeckel herunter und setzte mich.
Die Fliesen waren marmoriert.
Ich musste nicht gegen die Betonwand fahren, nicht jetzt.
Ich wusste nicht, was wahr war, wo oben oder unten war, vorher, nachher, hinten, vorn.
Ich wusste nur: ES STIMMTE NICHT. Ich spürte die Freiheit, und ich spürte den Schmerz. Ich spürte, wie ich mich auflöste in dieser Freiheit und wie der Schmerz mich zusammenhielt.

'Der Abschied vom egozentrischen Weltbild', würde M. viel später sagen."1


Adventsmeditation für heute:

Manchmal hilft uns ein Schmerz heil zu werden. Es gibt Schmerz, der kann in uns wildes Wuchern unterbrechen oder harte Verkrustungen aufbrechen. Dann müssen wir Kruste und Überwucherung loslassen, um neu zu wachsen.
Kenne ich solch ein befreiendes Gefühl, dass mich ein Schmerz wachsen ließ? Wenn ja, hole ich es dankbar wieder in meine Erinnerung.

 

(Mehr zu "Serpentinen" hier)

1B. Bjerg, Serpentinen. 3. Aufl. Berlin 2020, 201f.

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