Samstag, 24. November 2018

„Pamiętaj o mnie!“ Radio-Worte auf den Weg

In dieser Woche bin ich von Montag bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin 88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg. 
Hier die (ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:

Das Gefängnis Plötzensee, in dem ich als Seelsorger arbeite, hat verschiedene Hafthäuser, die durch eine mehrfach unterteilte große Grünfläche miteinander verbunden sind. Man kann sich also auch über weite Entfernungen sehen. Aber nicht immer kann man auch zueinander kommen. So werden wichtige Nachrichten gern mal über den Hof geschrien, natürlich in verschiedenen Sprachen.

Mauer mit Fenstern.
Kirchliches Bildungshaus Naurod, Wiesbaden, 2017.

Ich selbst spreche etwas Polnisch und betreue auch eine Reihe polnischer Gefangener, mal mehr mal weniger intensiv. Mal kann ich mit polnischer Lektüre aushelfen, mal Dokumente verständlich machen, mal einfach nur ein offenes Ohr haben.

Vor einigen Wochen komme ich gerade über den großen Hof, um in mein Büro zu gehen, als ich es aus einiger Entfernung rufen höre: „Pamiętaj o mnie!“, was auf Deutsch bedeutet: „Denk an mich!
Ich drehe mich um und sehe, dass ich gemeint bin. Ein polnischer Gefangener, der mich gebeten hatte, noch einmal zu ihm zu kommen, hat gerufen.

Seine Ausdrucksweise hat mich daran erinnert, welchen Einfluss selbst ich als Gefängnisseelsorger habe. Ich kann zwar niemandem rechtliche Beratung erteilen oder Ausgänge ermöglichen, aber ich kann da sein, mich an Namen und Anliegen erinnern und dann mit dem helfen, was in meiner Macht steht.

Das Wichtigste scheint mir dabei zu sein, dass ich mich tatsächlich erinnere.

Denn die Gefangenen können nicht einfach so bis zu meinem Büro kommen. Im Normalfall suche ich sie auf – und dann ist jemand, der mit einem Antrag um ein Gespräch gebeten hat, darauf angewiesen, dass ich mich auch tatsächlich an ihn und sein Anliegen erinnere.

Darin besteht meine Macht: Einen Menschen nicht zu vergessen, ihn nicht seinem Schicksal zu überlassen, und ihn mir im Bewusstsein zu halten.

Damit befinde ich mich gleichzeitig ganz in der Spur Gottes, der in der Bibel sagt: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen …? Und selbst wenn sie es vergisst: Ich vergesse dich nicht.“ (Jes 49,15)

Manchmal haben wir trotzdem das Bedürfnis, Gott daran zu erinnern, dass wir noch da sind. Und auch das ist gut und richtig.
Und wir können uns selbst darin üben, diejenigen nicht zu vergessen, die uns brauchen. „Pamiętaj o mnie!