In dieser Woche bin ich von Montag
bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus
dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin
88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg.
Hier die
(ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:
Das Gefängnis Plötzensee, in dem ich
als Seelsorger arbeite, hat verschiedene Hafthäuser, die durch eine
mehrfach unterteilte große Grünfläche miteinander verbunden sind.
Man kann sich also auch über weite Entfernungen sehen. Aber nicht
immer kann man auch zueinander kommen. So werden wichtige Nachrichten
gern mal über den Hof geschrien, natürlich in verschiedenen
Sprachen.
Mauer mit Fenstern. Kirchliches Bildungshaus Naurod, Wiesbaden, 2017. |
Ich selbst spreche etwas Polnisch und
betreue auch eine Reihe polnischer Gefangener, mal mehr mal weniger
intensiv. Mal kann ich mit polnischer Lektüre aushelfen, mal
Dokumente verständlich machen, mal einfach nur ein offenes Ohr haben.
Vor einigen Wochen komme ich gerade
über den großen Hof, um in mein Büro zu gehen, als ich es aus
einiger Entfernung rufen höre: „Pamiętaj o mnie!“, was auf Deutsch bedeutet: „Denk an mich!“
Ich drehe mich um und sehe, dass ich
gemeint bin. Ein polnischer Gefangener, der mich gebeten hatte, noch
einmal zu ihm zu kommen, hat gerufen.
Seine Ausdrucksweise hat mich daran
erinnert, welchen Einfluss selbst ich als Gefängnisseelsorger habe.
Ich kann zwar niemandem rechtliche Beratung erteilen oder Ausgänge
ermöglichen, aber ich kann da sein, mich an Namen und Anliegen
erinnern und dann mit dem helfen, was in meiner Macht steht.
Das Wichtigste scheint mir dabei zu
sein, dass ich mich tatsächlich erinnere.
Denn die Gefangenen können nicht
einfach so bis zu meinem Büro kommen. Im Normalfall suche ich sie
auf – und dann ist jemand, der mit einem Antrag um ein Gespräch
gebeten hat, darauf angewiesen, dass ich mich auch tatsächlich an
ihn und sein Anliegen erinnere.
Darin besteht meine Macht: Einen
Menschen nicht zu vergessen, ihn nicht seinem Schicksal zu
überlassen, und ihn mir im Bewusstsein zu halten.
Damit befinde ich mich gleichzeitig
ganz in der Spur Gottes, der in der Bibel sagt: „Kann denn eine
Frau ihr Kindlein vergessen …? Und selbst wenn sie es vergisst: Ich
vergesse dich nicht.“ (Jes 49,15)
Manchmal haben wir trotzdem das
Bedürfnis, Gott daran zu erinnern, dass wir noch da sind. Und auch
das ist gut und richtig.
Und wir können uns selbst darin üben,
diejenigen nicht zu vergessen, die uns brauchen. „Pamiętaj o mnie!“