Samstag, 3. November 2018

"Ich wollte dir nur mal eben sagen..." – Dreimal Liebe im Lied

Zum Evangelium des Sonntags (Mk 12,28b-34), das von Gottes- und Nächstenliebe handelt, kamen mir drei Lieder in den Sinn.

1. Gottesliebe
Mehr als nur "Ein Kompliment" machen die Musiker von Sportfreunde Stiller mit ihrem Liebeslied indem sie im Song einfach Vergleich an Vergleich reihen:

Der Eine.
Hiddensee, 2018.
"Wenn man so will
Bist du meine Chill-Out Area
Meine Feiertage in jedem Jahr

Meine Süßwarenabteilung im Supermarkt
Die Lösung, wenn mal was hakt
So wertvoll, dass man es sich gerne aufspart
Und so schön, dass man nie darauf verzichten mag
"
Und sie lassen das Ganze gipfeln in dem lässig hingelegten Understatement:

"Ich wollte dir nur mal eben sagen
Dass du das Größte für mich bist"

Auch wenn die Liebe zwischen Mann und Frau selbstverständlich anders ist als die zwischen Gott und Mensch – der Text trifft ziemlich genau die biblische Vorstellung, die der Gott Israels von der Liebe seines Volkes zu ihm hat: Hier spürt man die Freude an der Liebe, die der exklusiven Orientierung auf den einen "Herrn", den Bundespartner des Volkes Israel, entspricht.

Doch steht noch eine zweite Aufforderung daneben:

2. Nächstenliebe
Die polnische Band Stare dobre Małżeństwo hat einen ihrer größten Hits mit dem Stück "Z nim będziesz szczęśliwsza" gelandet. Das heißt übersetzt "Mit ihm wirst du glücklicher", was zugleich den Grundtenor des Textes widerspiegelt:

"Z nim będziesz szczęśliwsza
Dużo szczęśliwsza będziesz z nim
Ja cóż - włóczęga, niespokojny duch
Ze mną można tylko
Pójść na wrzosowisko
I zapomnieć wszystko

Der Andere.
Ostkreuz, Berlin, 2018.
"Mit ihm wirst du glücklicher
Viel glücklicher wirst du mit ihm.
Ich bin ein Landstreicher, ein unruhiger Geist.
Mit mir kann man nur
in die Felder gehen
und alles vergessen."

Auch hier geht es wieder um die Liebe von Mann und Frau – aber im Liedtext zeigt sich eine menschliche Größe, die modellhaft sein kann für den Umgang mit jedem und jeder Nächsten. Denn der Liebende (seine bleibende Liebe beteuert er in der zweiten Strophe) sieht von sich selbst ab und wünscht der Geliebten das Beste, auch wenn es nicht an seiner Seite ist. Innere Freiheit pur!
Sich selbst sieht er realistisch, kann sich nicht in rosigen Farben malen, und erkennt, dass er für das größere Wohl der geliebten Person selbst hintan zu stehen hat – eine Haltung, die große Reife voraussetzt.

3. Liebe als Religion
Schließlich Frida Gold mit "Liebe ist meine Rebellion" von 2013. Hier tritt spannenderweise ein doppelter Zug der Liebe in den Blick, nämlich einerseits ihre aktiv-widerständige Macht und andererseits ihre alles umschlingende und überwölbende Größe. Der Text hat es in sich:

"Liebe ist meine Religion
Kein Gesetz, kein Gebet, du gibst mir was mir fehlt
Und ich bin dem Himmel so nah, dem Himmel so nah
Ich kann die Angst in dein' Augen seh'n
Und ich kann nicht anders als aufzustehen
Um zu zeigen, dass es anders geht, dass die Hoffnung lebt
"

Es ist eine Hymne an die universale, alle Sperren überwindende, gewaltige Kraft der Liebe, die hier erklingt. Liebe entrückt von diesseitigen Sorgen und lässt die Liebenden Himmlisches spüren. Aber es wird auch deutlich, dass Liebe nicht nur entschweben lässt, sondern Energie freisetzt, sich zu engagieren – "ich kann nicht anders als aufzustehen".

Für das Christentum bestätigt sich in diesem Song, dass der biblische Gott, der Liebe als sein Hauptgebot verkündet, genauso ein politischer Gott ist wie einer, dessen Ruf so universal ist, dass er nicht stehenbleibt an den Grenzen des Christentums. Dieser Gott, überschreitet alles menschliche Kleinklein, seine Liebesmacht ist schon ein Gebet, auch wenn es küsst oder umarmt.

Mich weisen diese drei Lieder darauf hin, wie gut anzuknüpfen wäre an heutige Liebesvorstellungen in der Musik, der Lyrik, der Kunst.
Sicher muss dort kritisch geschaut und manches hinterfragt werden, aber wenn das Doppelgebot der Bibel für uns wirklich relevant ist, dann werden wir als Christen mit dieser Mission überall Verbündete suchen. Bisweilen sind unsere Zeitgenossen uns in der Liebe weit voraus.

Darum müssen wir um Jesu willen unsere eigene Lieblosigkeit gleichzeitig selbstkritisch im Licht des Evangeliums und der Liebesworte und -zeichen unserer Zeit ansehen.

Die Religion.
Nikolaikirche, Rostock, 2015.