In dieser Woche bin ich von Montag
bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus
dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin
88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg.
Hier die (ungefähr so vorgetragene)
Textfassung von heute:
Vor mir sitzt ein völlig
verunsicherter Mann in meinem Alter. Er trägt Krankenhauskleidung
und hat einen riesigen Verband am Kopf. In seinem Leben ist vieles
schief gelaufen, von Drogensucht über den Verlust der Familie bis zu
Obdachlosigkeit und Kleinkriminalität.
In meinen Gesprächen als Seelsorger im
Haftkrankenhaus habe ich es häufig mit solchen vielfach gebrochenen
Lebensgeschichten zu tun. In den meisten Fällen weiß ich auch keine
Antwort auf die hilflosen Fragen meines Gegenübers. Im Gespräch
versuchen wir zusammen herauszufinden, wie es weitergehen könnte.
Zaun und Himmel. Brandenburg, 2018. |
Auch in diesem Fall fällt es mir
schwer, eine gute Antwort zu finden für die traurige Gestalt vor
mir. Nachdem der Mann schon alle familiären Bezugspersonen verloren
hat, fühlt er sich nun, als hätte ihn zusätzlich zu seinem Unfall
noch der letzte Schlag getroffen: bei einem Besuch hat seine Freundin
ihm mitgeteilt, dass sie ihn verlässt.
Der letzte Halt, den er draußen hatte,
droht verloren zu gehen.
Sein Gefühl ist nun das einer völligen Verlassenheit. Er weiß nicht mehr ein noch aus. Ein Satz, den er immer wieder sagt, hakt sich bei mir fest: „Ich kann doch nix machen!“
Nach einer Weile habe ich dasselbe
Gefühl: Was kann ich ihm schon sagen oder für ihn tun? Billigen
Trost will ich nicht spenden. Und ich zweifle, dass es ihm helfen
würde, wenn ich ihm empfehle, doch einfach mal zu beten.
Und tatsächlich sind auch ihm die
Hände gebunden. Natürlich kann er immer wieder versuchen, seine
Freundin anzurufen, aber welche Frau möchte schon einen Partner, der
sich an sie klammert und weint, dass er ohne sie niemanden mehr
hätte.
Wirklich etwas „tun“ kann er in seiner Lage nicht. Seine einzige Möglichkeit ist vorerst, sich vertrauenswürdige Gesprächspartner zu suchen.
Wirklich etwas „tun“ kann er in seiner Lage nicht. Seine einzige Möglichkeit ist vorerst, sich vertrauenswürdige Gesprächspartner zu suchen.
Die Herausforderung im Gefängnis und
auch in anderen Krisen besteht manchmal darin, wirklich „nix zu
machen“, sondern nur eine andere Haltung zu dem Chaos im eigenen
Leben einzuüben. Und nach vertrauenswürdigen Menschen Ausschau zu
halten.
Ein gutes Gespräch kann Vieles
bewirken – und manchmal auch ein Gebet.