Dienstag, 20. November 2018

„Ich kann doch nix machen!“ Radio-Worte auf den Weg

In dieser Woche bin ich von Montag bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin 88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg. 
Hier die (ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:

Vor mir sitzt ein völlig verunsicherter Mann in meinem Alter. Er trägt Krankenhauskleidung und hat einen riesigen Verband am Kopf. In seinem Leben ist vieles schief gelaufen, von Drogensucht über den Verlust der Familie bis zu Obdachlosigkeit und Kleinkriminalität.

In meinen Gesprächen als Seelsorger im Haftkrankenhaus habe ich es häufig mit solchen vielfach gebrochenen Lebensgeschichten zu tun. In den meisten Fällen weiß ich auch keine Antwort auf die hilflosen Fragen meines Gegenübers. Im Gespräch versuchen wir zusammen herauszufinden, wie es weitergehen könnte.

Zaun und Himmel.
Brandenburg, 2018.
Auch in diesem Fall fällt es mir schwer, eine gute Antwort zu finden für die traurige Gestalt vor mir. Nachdem der Mann schon alle familiären Bezugspersonen verloren hat, fühlt er sich nun, als hätte ihn zusätzlich zu seinem Unfall noch der letzte Schlag getroffen: bei einem Besuch hat seine Freundin ihm mitgeteilt, dass sie ihn verlässt.
Der letzte Halt, den er draußen hatte, droht verloren zu gehen.

Sein Gefühl ist nun das einer völligen Verlassenheit. Er weiß nicht mehr ein noch aus. Ein Satz, den er immer wieder sagt, hakt sich bei mir fest: „Ich kann doch nix machen!“

Nach einer Weile habe ich dasselbe Gefühl: Was kann ich ihm schon sagen oder für ihn tun? Billigen Trost will ich nicht spenden. Und ich zweifle, dass es ihm helfen würde, wenn ich ihm empfehle, doch einfach mal zu beten.

Und tatsächlich sind auch ihm die Hände gebunden. Natürlich kann er immer wieder versuchen, seine Freundin anzurufen, aber welche Frau möchte schon einen Partner, der sich an sie klammert und weint, dass er ohne sie niemanden mehr hätte.
Wirklich etwas „tun“ kann er in seiner Lage nicht. Seine einzige Möglichkeit ist vorerst, sich vertrauenswürdige Gesprächspartner zu suchen.
Die Herausforderung im Gefängnis und auch in anderen Krisen besteht manchmal darin, wirklich „nix zu machen“, sondern nur eine andere Haltung zu dem Chaos im eigenen Leben einzuüben. Und nach vertrauenswürdigen Menschen Ausschau zu halten.

Ein gutes Gespräch kann Vieles bewirken – und manchmal auch ein Gebet.