Wäre es nicht so bitter,
so müsste man es als wirre Komödie ansehen.
Da wird mit ungeheurem
Aufwand und nach vielerlei Diskussionen in der bundesdeutschen
Politik ein neues Schloss nach altem Maß ins Herz Berlins gesetzt.
Die Wierderherstellung des zerstörten Baus von Andreas Schlüter aus
der Zeit der preußischen Könige soll mit seinen Ausstellungen und
Aktionen fortan für Berlins Aufgeschlossenheit und Multikulturalität
stehen.
Schon hier verbergen sich
eine Reihe ungelöster Fragen und Probleme zwischen dem
architektonisch manifestierten Anspruch der deutschen Monarchen und
dem heutigen Wunsch, sich als Wegbereiter von Weltoffenheit und
Toleranz zu präsentieren.
Als noch kein Schloss war... Baustelle, Berlin-Mitte, 2013. |
Und dann das Kreuz!
Von
König Friedrich Wilhelm IV. nachträglich gewünscht und durch
Friedrich August Stüler realisiert, war das Kreuz seit Bekanntwerden
seiner geplanten Rekonstruktion im Jahr 2017 eine Last für das neue
Humboldt-Forum. Während die Mittel für den Aufbau durch den
Bundestag auf 590 Millionen Euro beschränkt wurden, musste die
Fassadengestaltung aus Spenden finanziert werden. Auch die Kuppel
wurde erst durch eine anonyme Spende realisiert. Gleiches gilt für
das Kreuz, das nun als private Zugabe über dem staatlich
finanzierten Bau thront.
Allein die
Zusammensetzung der Finanzierung
ist spannungsreich – einerseits wird kein staatliches Geld für das
christliche Symbol aufgewendet, andererseits aber gestattet die
Stiftung,
die als Eigentümerin und Bauherrin fungiert, die private
Ermöglichung des weithin sichtbaren Abschlusses mit dem Kreuz.
Aber auch unabhängig
vom schnöden Mammon – Christen müssten doch vorsichtig sein, wenn
um irgendeiner historischen Genauigkeit willen das Ursymbol des
christlichen Bekenntnisses bloß noch als kulturprägende Kraft
vorkommt. Verwischt man nicht das theologische
Spezifikum des Kreuzes, wenn man es auf dem neuen Schloss
verteidigt wie Monika Grütters es 2017 auf dem Höhepunkt der
Debatte
tat? "Unsere
Kultur der Offenheit, Freiheit und Barmherzigkeit hat ihre Wurzeln in
unserem christlichen Menschenbild"
sagte sie damals.
So richtig das ist, so
wenig kann die Freiheit in einem Land, das auf der Trennung von Staat
und Religion besteht, als ursprünglich irgendwie christlich
vereinnahmt werden. Dafür sind die Erinnerungen an kirchliche
Engstirnigkeit und dogmatische Reaktionäre zu deutlich, wenn wir die
Frontverläufe der Geschichte im Kampf um Aufklärung, Demokratie und
Menschenrechte ansehen.
Und: Zu wichtig ist das
Kreuz für Christen in seinem Bezug auf Jesus Christus, als dass es
überall als beliebiges Symbol für gute Werte verkümmern sollte.
Inzwischen ist auch
der neu geschaffene Spruch unter der Kuppel wieder sichtbar geworden,
der vom damaligen Preußenkönig selbst aus zwei biblischen Zitaten
zusammengestellt worden war: "Es
ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen
gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in
dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und
auf Erden und unter der Erde sind."
(vgl. Apg
4,12 und Phil
2,10)
Für die säkular
bestimmte Hauptstadt ist das ein Affront: Erst der wiedererstandene
Barock, darin das Museum mit unklarer Ausrichtung, dann auch noch das
christliche Symbol über allem und schlussendlich die exklusive
Auslegung des Christentums durch einen Monarchen des 19.
Jahrhunderts. Kunst und Politik und Religion werden auf diese Weise
zu einer unästhetischen Gemengelage.
Stellas Wand unter Wolken. Baustelle, Berlin-Mitte, 2015. |
Als Theologe bin ich in
der Lage, den Spruch zu deuten und als gläubiger Christ ist Jesus
Christus für mich der Bezugspunkt meines Lebens.
Aber wie kann eine solche
Deutung all jenen zugemutet werden, die keine Christen sind? Ich
erwarte in Deutschland, dass der Staat und seine angegliederten
Institutionen mich nicht religiös vereinnahmen oder bevormunden. Und
dieser Anschein muss bei einem solchen Bauwerk ja geradezu entstehen.
(Nebenbei: Das spricht
nicht gegen die Kooperation von Staat und Kirche an bestimmten
Punkten, auch nicht gegen das prinzipielle staatliche Wohlwollen
gegenüber den Aufgaben, die die Kirchen und andere
Religionsgemeinschaften übernehmen.)
Eine solche
Unsensibilität ist mir unverständlich. Auch der Berliner Erzbischof
hat sich da nach meiner Meinung sehr missverständlich geäußert. Er
begrüße die Inschrift, unter anderem mit der Begründung:
"Wenn Christen sich vor dem
aufgerichteten Kreuz verneigen, verneigen sie sich vor Gott. Es
gehört zum Kern unseres Glaubens, dass sich Jesus Christus am Kreuz
als der alle Menschen liebende Gott zeigt. Die beiden Bibelverse auf
der Kuppel des Stadtschlosses betonen, dass die Menschen sich nur vor
Gott verbeugen und keiner irdischen Macht diese Ehre erweisen
sollen."
Die bei Frau Grütters
vermisste theologische Bedeutungsebene macht Erzbischof Koch mit
seinem Statement stark. Und für eine Kirche oder ein anderes
religiöses Bauwerk wäre dies auch angemessen. Aber lässt sich die
monarchische Ursprungsintention dieses Schriftzugs so einfach
ausklammern? Lässt sich vermeiden, dass Menschen sich dann gegängelt
fühlen? Und was sagt es über die unter diesen Worten präsentierte Kunst aus aller Welt?
Mit solchen Schriftzügen
macht man das Christentum in unserem Land schwächer. Und mit ihrer
Verteidigung leistet man der christlichen Botschaft einen
Bärendienst. Deshalb täten wir Christen gut daran, uns vor solchen kulturell verbrämten Absolutheitsansprüchen zu hüten!
Der Glaubwürdigkeit
der Christen und ihrer Kirchen würde es guttun, wenn sie sich in
ökumenischer Gemeinsamkeit von der Inschrift distanzieren (der neue
evangelische Landesbischof geht hier zum Glück schon voran).
Angesichts der neu entfachten Debatte um die Ablösung
der Staatsleistungen an die Kirchen wäre dies ein weiterer
hilfreicher Schritt, um die innere und äußere Entflechtung von
Staat und Kirche (bei bleibender Zusammenarbeit) auch von Seiten der
Kirchen voranzubringen.
Aus der Berliner Komödie,
die in eine peinliche Tragödie umschlagen könnte, könnte auf diese
Weise ein dramatisches Ringen werden, bei dem sich Klarheit und christliches Zeugnis mit einer
Haltung der Demut zeigen.
Blick von oben, noch unbekreuzt. Fernsehturm, Berlin-Mitte, 2019. |
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