Zum Geburtstag von Johannes dem
Täufer mal wieder ein Gedicht von Andreas Knapp.1
väterlicher hoffnungsimpotenz und
erstorbenem mutterschoß zum trotz
sonnwendgeborener gottesmund
seinem engel folgend wird er
in steinverlorener wüste
zum erbauer der großen
sternenstraße
wächter an der verheißungsgrenze
und trauzeuge des zum tode
verwundeten friedenslammes
sein wort streckt sich wie ein
sehnsuchtsgespannter brückenbogen
vom ufer aus zionsheimweh
bis zum lichtgestade des
morgensterns
seine stimme dröhnt windverweht
bis in die palastkammern jerusalems
und wird zur axt an der übel wurzel
im erotischen tanz um die macht
wird mit johannes auch die
gerechtigkeit enthauptet
sein ausgestreckter zeigefinger aber
weist für immer
auf jenen ermordeten hin
der im sterben noch
seine mörder begnadigt.
Besonders spricht mich aktuell dieser
Aspekt des Zukünftigen an – der "erbauer der großen
sternenstraße". Johannes als Visionär, der neue Wege in
die Weite aufreißt. Der den ankommenden Gott im Blick hat.
Solche Menschen täten uns jetzt gut in
Kirche und Gesellschaft!
Konstruktive Aufrüttler,
Hoffnungsvermittler, Leute, die Großes wagen und sich von der
zersetzenden Kraft der Shitstürme nicht vertreiben lassen, weil in
ihnen ein "sehnsuchtsgespannter brückenbogen" in
Richtung "des morgensterns" wächst.
Vielleicht wird ja gerade wieder ein solcher
geboren...
1 Zu
finden in: A. Knapp, Weiter als der Horizont. Gedichte über alles
hinaus. 5. unveränderte Aufl. Würzburg 2007, 35.
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