Das Evangelium Mt 10,37-42, das an
diesem Sonntag in den Gottesdiensten verkündet werden soll, muss ein
schwerer Predigt-Brocken sein. Jedenfalls habe ich in den letzten
Wochen eine ungewöhnlich hohe Zahl an Zugriffen auf einen älteren Beitrag zu diesem Evangelium auf diesem Blog registriert.
Und
tatsächlich fordert Jesus uns ja auch ziemlich heraus: ihn mehr zu
lieben als unsere Liebsten, das Kreuz auf sich zu nehmen, sein Leben
wegen ihm zu verlieren und so fort.
Das widerspricht allerdings dem verbreiteten Missverständnis, dass Religion eine Art Beruhigungspille sei. Außerdem entspricht es nicht unserem Bedürfnis, dass es uns möglichst oft und möglichst lang möglichst gut geht.
Das widerspricht allerdings dem verbreiteten Missverständnis, dass Religion eine Art Beruhigungspille sei. Außerdem entspricht es nicht unserem Bedürfnis, dass es uns möglichst oft und möglichst lang möglichst gut geht.
Blick hinunter. Saalachtal, Österreich, 2019. |
Aber Christsein ist eben nicht
Friede-Freude-Eierkuchen, sondern ein Wagnis, das etwas von uns
verlangt. Es reicht nicht aus, nur kräftig zu beten und zu glauben
und schon ist alles wieder in Ordnung.
Doch selbst wenn man das voraussetzt – was sollen wir mit einem so kontraintuitiven Satz anfangen wie: "wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert" (v38)?
Richard Rohr hat in seinem letzten Buch "Alles trägt den einen Namen" den geistlichen Weg von ernsthaft religiös Suchenden angeschaut:
„Wir verbringen so viel Zeit damit, ‚nach oben‘ zu kommen, dass wir die Tatsache aus den Augen verlieren, dass Gottes großer Sprung in Jesus darin bestand, dass er zu uns ‚nach unten‘ gekommen ist. Ein Großteil unseres gottesdienstlichen Lebens und unserer religiösen Kraftanstrengung gleicht dem spirituellen Versuch, auf einer Rolltreppe, die abwärts fährt, nach oben zu fahren.
Ich nehme allerdings an, dass diese Aufstiegs-Mentalität für die meisten Menschen, die spirituell auf der Suche sind, zunächst das Naturgegebene zu sein scheint. Aber sobald die tatsächliche innere Reise losgeht - sobald du erkennst, dass Gott in Christus ein- für alle Mal den Abgrund zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen überwindet, – hat der christliche Weg weniger mit Aufstieg und Leistung zu tun als mit Abstieg, Loslassen und Ver-lernen. Jesus zu kennen und zu lieben bedeutet weitgehend, ganz und gar Mensch zu werden, mit Wunden und allem, was dazugehört, anstatt spirituell aufzusteigen oder zu denken, wir könnten unverwundet bleiben. (Das Ego mag diese fundamentale Weichenstellung ganz und gar nicht, deshalb kehren wir immer zu irgendeinem Leistungsprinzip zurück, versuchen, aus dieser schmuddeligen Inkarnation auszusteigen, anstatt von ihr zu lernen. Dies entspricht vor allem einer Religion in ihrer Frühphase.)"1
Und er summiert schließlich mit Blick auf den Auferstandenen, der dem Apostel Thomas seine Wunden zeigt: "Es ist nicht nur ein Pfad, der mit Auferstehung belohnt wird, sondern ein Pfad, der Tod und Verwundung für immer einschließt."2
Nach unten zu gehen und sich mit der Welt zu verbinden, ist also ein religiöser Weg, den erstens auch Jesus selbst gegangen ist und der zweitens eine innere Reife voraussetzt. Diese Reife schließt ein, dass jemand schon eine Menge Egoismus und Selbstverwirklichungssehnsucht hinter sich gelassen hat.
Es ist keine Leistung, sein Kreuz auf
sich zu nehmen. Sondern es ist ein Loslassen. Das kann auch heißen,
verwundet zu werden.
Und dabei ist es dieser Weg gar nicht unnatürlich, sondern in ihm zeigt sich wahres Menschsein. Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn ich nicht nur mein eigenes Heilbleiben und mein eigenes Wohl im Kopf habe.
Konkret:
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn ich den Müll nicht für meine Frau liegenlasse, sondern selbst in die Hand nehme und wegschmeiße.
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn meine ach so wichtige Arbeit für einen Kinderarzttermin auch einmal hintanstehen kann.
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn ich den Müll nicht für meine Frau liegenlasse, sondern selbst in die Hand nehme und wegschmeiße.
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn meine ach so wichtige Arbeit für einen Kinderarzttermin auch einmal hintanstehen kann.
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn
ich mich von jedem Bettler ansprechen lasse und ihn nicht abblitzen
lasse.
Ich bin schon auf dem Weg Jesu, wenn
ich mich überwinde und auf den halsstarrigen Nachbarn mit der lauten
Nacht-Musik freundlich zugehe.
Und jetzt ihr: Ich bin schon auf dem
Weg Jesu, wenn...
Kreuz dabei. Neukölln, Berlin, 2016. |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen