Bist du ein wertvoller Mensch?
Wenn ja, woran erkennst du das?
Es sollte nicht an einer Uniform oder einer Hautfarbe hängen!
Es sollte nicht an einer Uniform oder einer Hautfarbe hängen!
Was macht deinen Wert aus?
Kann man dir deinen Wert nehmen?
Und überhaupt: Was macht es aus, ob du
wertvoll bist oder nicht?
Das sind einige der Fragen, die in mir
auftauchten, als sich meine Aufmerksamkeit an einigen Zeilen des
Sonntagsevangeliums festhakte.
Kunstvoll kurvt dieser Text (Mt
10,26-33) an verschiedene Themen heran – an den Stellenwert von Heimlichkeiten, an das Verhältnis von Leib und Seele, an die
Bedeutung von missionarischen Bekenntnissen – und eben an die Frage
nach dem Wert eines Menschen.
Durchblick. Stadtpark, Kronberg, 2020. |
Es scheint fast, als hörten wir
verschiedene Strophen eines Liedes, dessen Refrain wir dazwischen
dreimal zu hören bekommen. Der Refrain lautet: "Fürchtet
euch nicht!" (v 26.28.31)
Und aus diesem Refrain, dieser
Grundmelodie, dieser ständigen Wiederholung heraus erheben sich die
verschiedenen anderen Themen:
Fürchtet euch nicht – vor allem
nicht vor den Heimlichkeiten, die sowieso irgendwann herauskommen.
Fürchtet euch nicht – denn ihr könnt
die Dinge richtig einordnen und Leib und Geist ins richtige
Verhältnis bringen.
Fürchtet euch nicht – denn ihr seid
wertvoll.
Fürchtet euch nicht – von Gott zu
sprechen.
Mich hat nun, wie gesagt, die "Strophe"
über den Wert eines Menschen besonders angesprochen:
"Verkauft man nicht zwei
Spatzen für einen Pfennig?
Und doch fällt keiner von ihnen zur
Erde ohne den Willen eures Vaters.
Bei euch aber sind sogar die Haare
auf dem Kopf alle gezählt.
Fürchtet euch also nicht!
Ihr seid mehr wert als viele
Spatzen." (vv29-31)
Spatzen, so sagt Jesus es hier, sind in
unseren Augen zwar billig zu haben, aber für Gott sind sie wertvoll,
er hält sogar sie in seiner Hand.
Vor dem aktuellen Hintergrund, dass
sich das Corona-Virus erneut in Schlachthöfen ausbreitet, stellen
viele Menschen wieder die Frage nach dem Wert tierischen Lebens und
wie gut es uns als Gesellschaft tut, wenn Schweine nur noch Produkte
sind. Dazu entbrennt neu die Debatte über die Arbeitsbedingungen der
Arbeiterinnen und Arbeiter in den Schlachthöfen.
Welchen Wert hat der Schutz vor
Infektionen, oder deutlicher: Welchen Wert haben Menschenleben, wenn
es um die Fleischproduktion zu preisgünstigen Bedingungen geht?
Und Jesus kommt gar noch mit den
Spatzen, die nun völlig unnütz erscheinen. Der Spatz war "mit
Abstand der billigste Vogel" auf dem Markt zur Zeit Jesu und
eine Art "Geflügelbraten der kleinen Leute".1
Einer mehr oder weniger machte nichts aus.Um solchen billigen Ramsch
kümmert sich niemand weiter!
Nur Gott.
Der hat auch den billigsten Ramsch und
die letzten Reste noch im Blick.
In einer Haftanstalt wie hier mag sich
der eine oder andere dieselbe Frage stellen:
Bin ich für die da draußen nur noch
der letzte Rest? Oder habe ich noch einen Wert für jemanden? Und
wenn ich mich darum sorge: Kann ich etwas tun, damit mein Wert nicht
verblasst?
Wir alle, Inhaftierte und nicht
Inhaftierte, wollen wertvoll sein. Wir fürchten uns (mal mehr mal
weniger) davor, nicht mehr als wertvoll angesehen zu werden. Und
manchmal versuchen wir dann, unseren Wert zu steigern.
Flüchtige Wertsteigerung? Zinnowitz, 2019. |
- Einer schickt regelmäßig Geld raus.
Denn wenn die Familie Geld bekommt, kann sie ihn, so die Rechnung, ja
schlecht im Stich lassen.
- Einer wird kreativ und versucht sich
auszudrücken in der einen oder anderen Kunstform. Wer malt oder
musiziert oder dichtet, schafft sich ja eine Art Ewigkeitswert.
- Einer ist ständig am Pumpen und
versucht, seinen Körper in Form zu halten. So sehen wenigstens die
Oberarme luxuriös aus.
- Einer will das alles hinter sich
lassen und zieht sich alle möglichen Substanzen rein. Das macht
vielleicht nicht wertvoller, aber es lässt viel von dem verkorksten
Alltag vergessen.
- Einer sucht möglichst engen Kontakt
mit den Bediensteten. Solche Beziehungen zahlen sich meistens
irgendwie aus.
- Einer arbeitet wie ein Berserker. In
der Annahme, dass einer, der tut und schafft und macht, doch nun
wirklich nicht wertlos sein kann.
Jeder von Ihnen wird wahrscheinlich an
einer anderen Stelle merken, dass es da klingelt. Ich selber finde
mich am ehesten bei der Arbeit wieder, hier definiere ich mal mehr
mal weniger bewusst meinen eigenen Wert.
Aber Jesus macht uns mit seinen Worten
klar: Auch wenn ihr in den Augen anderer fast wertlos seid, auch wenn
die Gesellschaft ehemalige Straftäter nicht wirklich gern wieder
aufnimmt, auch wenn dich draußen niemand in die Arme schließt –
auch dann bist du ein wertvoller Mensch.
Das ist die Essenz dieser Stelle:
Fürchtet euch nicht.
Ihr seid wertvoll.
Denn ihr seid von Gott geliebt.
Egal, wie viel ihr kaputt gemacht habt
in eurem Leben oder im Leben anderer – "bei euch sind sogar
die Haare auf dem Kopf gezählt." (v30) So wertvoll seid ihr
für Gott.
Wer das wirklich an sich heranlässt
(und davon bin auch ich oft noch weit entfernt), der kann innerlich viel freier leben. Wer das glaubt, den
kann nichts kleinkriegen (vgl. v28) und der kann es auch
weitererzählen (vgl. v32).
Der wird keine Angst davor haben, von
Gottes Liebe zu sprechen. Von seinem liebevollen Blick auf jede
Person – hier im Raum und darüber hinaus.
Amen
Zettelwirtschaft - Was ist wichtig, was ist's wert? Neukölln, Berlin, 2019. |
1 U.
Luz, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 8-17) I/2. Zürich /
Braunschweig, Neukirchen-Vluyn 1990, 128.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen