Nach dem Todesurteil am 11. Januar
dauerte es noch drei Wochen qualvollen Wartens und Bangens, bis
Alfred Delp schließlich nach allen Freunden am 02. Februar 1945, dem
damaligen Fest Mariä Lichtmess, in Plötzensee durch Erhängen
hingerichtet wurde.
"Das ist ein eigenartiges Leben
jetzt. Man gewöhnt sich so schnell wieder an das Dasein und muß
sich das Todesurteil ab und zu gewaltsam in das Bewusstsein
zurückrufen",1
schreibt er direkt nach der Verurteilung und in Erwartung der
sofortigen Vollstreckung des Todesurteils.
Im Hinrichtungsschuppen. Gedenkstätte Plötzensee, Berlin, 2017. |
Seine Kassiber aus der Haft in
Berlin-Tegel zeigen, wie Gefasstheit und Gottergebenheit sich
abwechseln mit Verzweiflung und Angst. Seit ich selbst viel mit
Gefangenen eben in Plötzensee spreche, ist mir dieses existenzielle
Auf und Ab (trotz sicher sehr anderer Ausgangslage) sehr bekannt.
Delp beschreibt sich anfangs in den
kurzen Nachrichten an Freunde, Mitbrüder und Unterstützer fast
durchwegs als ruhig und vertrauend auf Gottes Führung, doch mit der
Hinrichtung der inhaftierten Freunde aus dem Widerstand und besonders
Moltkes am 23. Januar schwinden seine mentale Kraft und sein
Vertrauen immer wieder.
"Ihr guten Leute, das war ein
böser Tag gestern und heute. Es wäre leichter, mitzufahren nach
Plötzensee als plötzlich diese Einsamkeit des Schicksals aushalten
zu müssen",2
bekennt er am 24. Januar.
Trotzdem versucht der Jesuit auch
selbst zu trösten und nicht zuletzt seinem Tod einen religiösen
Sinn zu geben.
Seiner Hoffnung, dass auch der gewaltsame Tod nicht umsonst gewesen
sein wird, will er durch eine individuelle Interpretation seiner
Situation Ausdruck geben.
Einen Gedanken finde ich durch den
Rückgriff auf biblische Bilder besonders schön:
"Auf jeden Fall muss ich mich
innerlich gehörig loslassen und mich hergeben. Es ist Zeit der
Aussaat, nicht der Ernte. Gott sät; einmal wird er auch wieder
ernten. Um das eine will ich mich mühen: wenigstens als fruchtbares
und gesundes Saatkorn in die Erde zu fallen. Und in des Herrgotts
Hand. Und mich gegen den Schmerz und die Wehmut wehren, die mich
manchmal anfallen wollen. Wenn der Herrgott diesen Weg will, – und
alles Sichtbare deutet darauf hin – dann muss ich ihn freiwillig
und ohne Erbitterung gehen. Es sollen einmal andere besser und
glücklicher leben dürfen, weil wir gestorben sind."3
Hier will einer leben und sterben als
Mensch, der sich von der Angst um sich selbst löst. Und auf diese
Weise auch andere nähren und von der Angst befreien kann. Diese
Wirkung kann ein Tod nur entfalten, wenn er (im Rahmen des göttlichen
Willens) freiwillig auf sich genommen wird und nicht den bitteren
Geschmack des zornigen Selbstzwanges bekommt.
Natürlich ist die Strategie der
religiösen Sinngebung auch ein Mittel zur Selbststärkung, aber ich
bewundere an diesen Worten vor allem, dass Alfred Delp in seiner Not
und Ungewissheit weiterhin einen offenen Blick für die Anderen und
die Zukunft behielt.
In Zeiten zunehmender weltpolitischer
Verunsicherung ist es sicher gut, das eigene Handeln im Kontext des
göttlich-weltlichen Rhythmus' von Aussaat und Ernte zu sehen –
vielleicht ist auch 2017 keine Zeit, die Früchte liberaler
Demokratievorstellungen zu ernten, sondern sie zu säen in der
Hoffnung auf ihr Blühen nach einer Zeit weltweiter autokratischer
Versuchungen.
Und ganz persönlich: sich an die
innere Freiheit dieses Inhaftierten zu erinnern und sein religiöses
Handeln zum Vorbild zu nehmen:
"Und so will ich zum Schluss
tun, was ich so oft tat mit meinen gefesselten Händen und was ich
tun werde, immer lieber und mehr, solange ich noch atmen darf:
segnen."4
Eingangsbereich mit Blick auf die Gefängniskirche. Gedenkstätte Plötzensee, Berlin 2017. |
1 A.
Delp, Kassiber. Aus der Haftanstalt Berlin-Tegel. Frankfurt. a.M.
1987, 92.
2 Ebd.,
131.
3 Ebd.,
98.
4 Ebd.,
100.