Sei ein gutes Vorbild christlichen
Lebens und wirke in der Suppe der Welt so, dass sie einen anständigen
Geschmack bekommt!
So einfach und bündig mag man das
Evangelium des heutigen Sonntags
(Mt 5,13-16) mit den Zusagen Jesu, dass seine HörerInnen "Salz
der Erde" (v13) und "Licht der Welt" (v14)
seien, zusammenfassen - wenn man es nur oberflächlich hört.
Aber das wäre ein bißchen fleischlos
und arg moralisch. Was also ließe sich weiter dazu sagen?
Welcher Geschmack ist hier nötig? Rixdorf, Berlin 2016. |
1 Eine Erhellung von Jesaja
Inhaltlich kann man auf die Erste
Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja zurückgreifen, die ein
ethisches Großprogramm der Bibel entfaltet und auch das Bild vom
Licht schon vorgibt:
"Teile an die Hungrigen dein
Brot aus, nimm die obdachlosen Armen ins Haus auf, wenn du einen
Nackten siehst, bekleide ihn und entziehe dich nicht deinen
Verwandten. ... Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst,
auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest, dem
Hungrigen dein Brot reichst und den Darbenden satt machst, dann geht
im Dunkel dein Licht auf." (Jes 58,7.9f)
Licht im Weltdunkel wären darum die
klassischen Werke der Barmherzigkeit, einige Benimmregeln und die
Förderung sozialer Gerechtigkeit.
Das ist unheimlich wichtig und darum
ganz sicher nicht falsch – aber trifft diese moralische Auslegung
den Kern des Evangeliums?
2 Das Erste und das Zweite
Während sich europäische Fernsehshows
dieser Tage parodistisch überbieten, welches Land denn nach Donald
Trumps Vorgabe "America first"
das Zweitwichtigste
sei, so ist hier wie in vielen wichtigen Texten der Bibel
einigermaßen klar, dass Moral erst das Zweite ist. Davor steht eine
göttliche Zusage.
Jesus sagt seinen
Zuhörern am Beginn der großen Rede auf dem Berg zu, dass sie schon
Salz und Licht sind und dieses Salz-Sein und Licht-Sein bloß
verwirklichen müssen. Beides bedingt sich: Salz muss Würze haben
und Licht gehört auf den Leuchter. Zusage und Aufforderung, Gabe und Gegengabe,
Sein und Moral stehen beieinander und gehören zusammen.
Um die Herausforderung dieser Zusage
leben zu können, gilt deshalb der fast schon banale Grundsatz, dass
die Angesprochenen das in sich tragen müssen, was sie nach außen
darstellen. Dass sie auch Licht und Salz in sich haben müssen, um
wirklich Licht und Salz zu sein. Im Markusevangelium sagt Jesus
beispielsweise: "Habt Salz in euch"! (Mk 9,50)
Denn nur wer innerlich brennt, kann
leuchten. Nur wer Salz in sich hat, kann Geschmack geben.
3 Die Zielgruppe
Wen aber spricht Jesus eigentlich an,
wenn er seine Zuhörerschaft "Salz" und "Licht"
nennt?
Theologen streiten sich schon lange
darüber, ob es hier nur um einige Wenige geht, nämlich die
Menschen, die sich entschieden haben, Jesus in besonderer Weise
nachzufolgen und die dann auch erfüllen können, was die Bergpredigt
fordert. Oder ob es um alle Hörer der Botschaft geht, die in der
Bergpredigt durch die zusammengeströmte große Menschenmenge
repräsentiert werden. Die Einleitung zur Bergpredigt ermöglicht
beide Deutungen, denn da heißt es:
Platz für Viele. Lazienki-Park, Warschau, 2015. |
"Als Jesus die vielen Menschen
sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten
zu ihm." (Mt 5,1)
Wenn Jesus im engen Kreis seiner Jünger
zu einer Menge sprach und im Verlauf der Bergpredigt viele hohe
Ansprüche formuliert (ich sage nur: die zweite Wange hinhalten!),
dann denke ich, auch wenn man sich seine sonstigen Gesprächspartner
anschaut, dass diese Botschaft nicht nur für eine Elite ist, sondern
für uns alle.
Jesus meint: Denkt groß von Euch –
weil Gott groß von Euch denkt!
Das gilt auch und gerade im Gefängnis,
in einer Atmosphäre, wo selten jemand groß vom Anderen zu denken
scheint. An einem Ort, der auch von außen selten als Platz
wahrgenommen wird, wo von Menschen groß gedacht werden kann.
Gerade hier, wo oft die Fehler und die
Schuld und die Unzulänglichkeit in den Vordergrund gerückt werden,
gerade hier gilt Gottes Zusage: Du bist Licht! Du bist Salz!
4 Gottes Gegenwart
Und so kommen wir dem eigentlichen
Inhalt der Aussagen langsam näher.
Hinter den Bildworten steht die größte
Zusage Gottes an die Christenheit: Wir sind seine geliebten Kinder,
darum können wir uns auch so verhalten. Licht und Würze kommen
nicht aus uns selbst, sie kommen von ihm und aus seiner Botschaft.
Gott selbst leuchtet im grundlegendsten
Sinne für die Menschen, Gott selbst durchtränkt alles, was ist, mit
seinem Geschmack. Wir können und sollen an seinem Leuchten und
Schmackhaftmachen mitwirken und es konkret sichtbar machen.
Darum meinen die Aussagen vom Salz und
vom Licht im Tiefsten, dass durch uns Christen Gottes Gegenwart in
der Welt spürbar werden soll. "Ich bin das Licht der Welt."
(Joh 8,12) ist eine der zentralen Selbstaussagen Jesu im
Johannesevangelium, "Ihr seid das Licht der Welt"
hören wir an uns gerichtet am heutigen Tag.
Was Jesus gebracht hat, die lebendige
göttliche Gegenwart auf der Erde, die herausfordernd barmherzige
Liebe des Vaters zu den Menschen, das sollen nun wir in der Welt zum
Leuchten bringen. Das soll der Geschmack sein, an dem man Christen
erkennt.
Eine so riesige Verantwortung, dass sie zum
Resignieren vor der Überforderung verführen kann – aber (nicht zu
vergessen!) zugleich ein Geschenk!
Papst Franziskus drückt es in seinem
ersten Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium so aus: "Jeder
Christ und jede Gemeinschaft soll unterscheiden, welches der Weg ist,
den der Herr verlangt, doch alle sind wir aufgefordert, diesen Ruf
anzunehmen: hinauszugehen aus der eigenen Bequemlichkeit und den Mut
zu haben, alle Randgebiete zu erreichen, die das Licht des
Evangeliums brauchen."1
5 Segen
In diesem Sinne ist auch der Segen am
Ende des Gottesdienstes nicht nur ein Geschenk des göttlichen
Beistands für uns, sondern er stellt die Herausforderung dar, dass
wir anderen dieses Geschenk der Nähe und Liebe Gottes weitergeben.
Salz und Licht zu sein, heißt, segnend den Menschen um uns Gottes
heilend-liebevolle Gegenwart zuzusagen. Dann machen auch die moralischen Vorgaben des Jesaja einen tieferen Sinn, denn durch unsere konkrete Zuwendung zu den Bedürftigen erfahren Menschen auch Gottes Segen.
Das mag schwierig klingen, aber wenn
wir das leuchtende Licht von Gottes Nähe in uns selbst entdecken,
werden wir es ebenso ausstrahlen können.
Und das Leuchten Gottes auch in anderen entdecken.
Pure Gegenwart. Aufbauten für das Gemeindefest neben St. Christophorus, Neukölln, Berlin 2016. |
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Papst Franziskus, Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische
Schreiben "Evangelii Gaudium" über die Verkündigung des
Evangeliums in der Welt von heute. Freiburg i.Br. 2013, Nr. 20.