Ich versuche zu hören, wo es mich
hinaustreibt.
Hinausgehen ist ein Lieblingswort von
Papst Franziskus. Es ist das Mehr-Wollen, das Sich-Lösen, das
In-Bewegung-Bleiben. Es meint
Transzendieren des Altbekannten und ist somit auch ein Lernprozess.
Hinausgetrieben werden dagegen hört
sich zunächst nicht freiwillig an. Und doch braucht es zum Aufbruch
auch antreibende Gründe, die ich nicht immer mit meinem eigenen
Willen identifizieren kann.
Himmel im Wasser, Briese, Birkenwerder, 2014. |
Wenn ich den Text des Evangeliums (Joh
10,1-10) am "Sonntag des Guten Hirten" daraufhin ansehe,
was die verschiedenen Beteiligten zu tun haben, dann geht es
wesentlich darum, dass die Schafe sich vom Hirten hinaustreiben
lassen (v4).
Natürlich sind die Worte ringsum
sanfter und eingängiger: da wird geöffnet und hineingegangen, einer
ruft und führt, andere hören, weil sie den Rufer kennen und darum
folgen sie ihm (vv 2-4).
Als Menschen, die an Christus glauben
und in seinen Spuren leben wollen, orientieren sich Christen an ihm,
hören seine Botschaft und lassen sich von ihm anstecken zu einem
Leben, das dem Wirken Gottes in dieser Welt dient.
Darum ist hören, kennen und folgen so
schön. Ein Beziehungsgeschehen, das auf Freiwilligkeit und Zuwendung
beruht – und es bleibt doch unglaublich zahm, indem es das Bild vom
Hirten so dreht, dass es ein romantisches Ideal zeigt. Ich habe vom
Hirtenberuf keine weitergehenden Kenntnisse, aber die Einsicht der
Schafe, die ihrem liebevollen Hirten nachgehen war mir schon immer
etwas suspekt.
Möglicherweise ist es trotzdem so –
ich aber weiß von mir, dass ich manchmal getrieben werden muss. Auch
dorthin, wo es mir eigentlich gut geht, auf die Weide, auch dort
heraus, wo ich meine Ruhe habe und mich vor der Welt verstecken kann,
aus dem Stall.
Hinausgetrieben werden finde ich aus
diesem Grund passend. Und paradox – ich komme nicht von selbst
hoch, wünsche mir aber oft genug, dass mir jemand einen Schubs gibt.
Mein Wille ist da und nicht da.
Spielplatz mit Baum, Rixdorf, Neukölln, Berlin, 2014. |
Der Hirte treibt mich hinaus – er
meint es gut und weiß zugleich, was nötig ist. Von daher lässt
sich auch das Kennen der Schafe anders sehen: weil er mich kennt,
weiß er, dass Zug angesagt sein kann.
Was das Hirtenbild jedoch sprengt:
Liebe und freier Wille sind nicht aufgehoben, wenn Menschen von
Gottes Geist getrieben ihr Leben ändern, weil sie merken, dass ein
Umlenken nötig ist. Gottes Hinwendung und Treue, sein Dranbleiben an
mir auch wenn ich schwach und lau bin, sein energisches Führen –
das alles steht meiner persönlichen Entscheidung und Verantwortung nicht entgegen. Ich bin kein Schaf.
Dennoch bin ich für diese regelmäßigen Anstöße und
Neuausrichtungen persönlich sehr dankbar. Meine
Selbstgenügsamkeit und Behäbigkeit in der Nachfolge können
jedenfalls das neue Leben, das mir geschenkt ist, nicht einholen.
"Fliehen wir nicht vor der Auferstehung Jesu, geben wir uns
niemals geschlagen, was auch immer geschehen mag. Nichts soll stärker
sein als sein Leben, das uns vorantreibt!"1
Was ich tun kann, ist zu hören, wo Er
mich hintreiben will. Ich kann mich hinaustreiben lassen.
1 Papst
Franziskus, Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische Schreiben
"Evangelii Gaudium" über die Verkündigung des
Evangeliums in der Welt von heute. Freiburg i.Br. 2013, Nr. 3.